Rezension

Mutter

Text Und Musik


Highlights: Wer Hat Schon Lust So Zu Leben?
Genre: Indierock // Hamburger Schule
Sounds Like: Die Sterne // Kante // Blumfeld

VÖ: 12.09.2014

Mutter sind so etwas wie die Urgesteine der deutschen Independent-Szene. 1986 gegründet, haben die Berliner in ihrer langen Karriere schon über zehn Alben aufgenommen und doch niemals den Durchbruch geschafft. Ihre Musik war schon immer eher etwas für Kenner und Liebhaber als für den Mainstream. Begonnen haben sie als brachiale Noise-Rock-Band, später holten sie die Leute ab, denen Blumfeld zu verschroben und überladen waren und mittlerweile sind Mutter beim deutschen Indierock angekommen.

Sänger Max Müller erzählt aber nach wie vor Alltagsgeschichten mit Kloß im Hals. Eines eint die Protagonisten auf „Text Und Musik“: der Traum vom privaten Glück, die quälenden Zweifel, ob man auf dem richtigen Weg ist, dieses zu erreichen und die Erkenntnis, dass Glück in Wahrheit eine Utopie ist und dass das Leben, so wie es ist, wahrscheinlich schon ganz okay so ist. Dabei verstehen Mutter es, den Finger in offene Wunden zu legen. So beschreibt „Wer Hat Schon Lust So Zu Leben“ schonungslos das Leben von Asylsuchenden, die keiner hergebeten hat, die aber trotzdem jetzt hier sind und im Park ihre Wäsche waschen, während die Deutschen gemütlich zu Hause ihren Wein schlürfen.

Leider schaffen es Mutter nur selten, diese Ungemütlichkeit auch in ihre Musik zu übertragen. Nur in wenigen Momenten horcht man als Hörer kurz auf. Etwa, wenn am Ende von „Wer Hat Schon Lust, So Zu Leben“ der Chor einsetzt oder sich „Ihr Kleines Herz“ zu einer Disconummer entwickelt. Im Grunde also immer genau dann, wenn sich etwas abrupt verändert und die Gleichförmigkeit durchbrochen wird, die sich scheinbar durch das gesamte Album zieht. Dabei gibt es neben ruhigen Stücken auch den alten Krach; „Fehler“ und „Ich Will Nicht Mehr Als Das“ erinnern in ihrer Rohheit durchaus an alte Zeiten. Aber sie bleiben nicht hängen. Dies ist das größte Manko von „Text Und Musik“. Es bleibt einfach auch nach mehrmaligem Hören nur sehr wenig hängen. Ob das, wie der Pressetext suggeriert, daran liegt, dass man nach dem Ende der Platte Angst hat, sich an sie zu erinnern, sei einmal dahin gestellt. Gewünscht hätte man sich lieber ein Album, das man nicht vergessen kann, sondern mit all seinen treffenden und quälenden Alltagsbeobachtungen noch lange mit sich herumträgt.

Lisa Dücker

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