Rezension

Michaela Meise

Preis Dem Todesüberwinder


Highlights: Preis Dem Todesüberwinder // Die Ganze Welt // Dich liebt, oh Gott, mein ganzes Herz
Genre: Kirchenlieder // Kunstlied // Folk
Sounds Like: The Unthanks // Arne Zank // Joel Frederiksen // The Hilliard Ensemble

VÖ: 11.02.2011

Christliche Bildsprache ist für viele Menschen problematisch, beziehungsweise rational unverständlich. Dies gilt umso mehr, handelt es sich um – implizit mystische – katholische Bilder. Somit gerät auch automatisch die Verwendung katholischer Kirchenlieder in einem de facto Popkontext kritisch. Dies gilt aus beiden Perspektiven: der außer- wie der innerkirchlichen. Die Gefahren bestehen aus einer übermäßigen Ironie wie einer zu starken Ernsthaftigkeit. Erstaunlicherweise vermeidet Michaela Meise auf „Preis Dem Todesüberwinder“ beides.

Melodien und Texte der prä-modernen katholischen Kirchenlieder übernimmt Meise ohne Änderung in ihren minimalistischen Akkordeon-Arrangements. Einziger „Spezialeffekt“ ist Dirk von Lowtzows Mitwirken im Titelstück. So gelingt es Michaela Meise, die Einfachheit der Botschaften zu bewahren und gleichzeitig die transportierten, allgemeingültigen Emotionen anzusprechen und offenzulegen. In diesem Sinne vermögen ihre zwischen Folk- und Kunstlied angesiedelten Interpretationen die Bedeutung der kirchlichen Lieder, die sie über ihren gottesdienstlichen und gläubigen Bezugsrahmen hinaus besitzen, verständlich zu machen (und selbst glaubensfernen Hörern zu vermitteln). In der professionellen Produktion bringt Meise die von ihrem Pomp befreiten Stücke zum Sprechen, da so (reduziert, aber eben nicht in Katholische-Jugendfreizeit-Lagerfeueratmosphäre vorgetragen) offenbar wird, wie sehr der ursprüngliche Kontext verschleiert, welch allgemeingültige Gedanken und Emotionen die Stücke im Grunde bedienen.

Eine andere Perspektive auf die Wirkung der sieben Stücke auf „Preis Dem Todesüberwinder“ ist – im Versuch, etwaige Reste eines anerzogenen Katholizismus zu ignorieren –, dass Meises Vortrag in der Weise berührt, wie auch einige von Joanna Newsoms Arrangements auf „Ys“ den Hörer erreichen, wie die Interpretationen der Schwestern Unthank anfassen, wie der Vortrag alter Musik durch Hilliard Ensemble oder Joel Frederiksen, wie simple zerbrechliche deutsche Poparrangements von Go Plus oder Arne Zank. Allein die scheinbar zerfallenden Arrangements aus Stimme und Akkordeon nehmen gefangen. Es ist kein Problem, hier die Texte und ihren Inhalt zu ignorieren, oder sie als in einer unverständlichen Fremdsprache vorgetragen anzusehen. Die Melodien, das minimale Arrangement und Meises klarer, leicht spröder Gesang verströmen einen schwer deutbaren, aber unwiderstehlichen Zauber.

Oliver Bothe

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