Rezension

Matze Rossi

Ich Fange Feuer


Highlights: Kein Zweifeln Und Bedauern // Zieh Meine Träume Nicht Durch Den Dreck
Genre: Singer/Songwriter // Pop
Sounds Like: Olli Schulz & Der Hund Marie // Neuser

VÖ: 18.03.2016

Es ist wohl eine Plattitüde, dass die meisten Musiker die Inspiration für ihre Lieder und vor allem ihre Texte aus ihrem eigenen Leben nehmen. Das gilt längst nicht nur für Gangster-Rapper, in deren Songs nach der Geburt ihrer ersten Tochter auf einmal wesentlich seltener von Nutten und Bitches die Rede ist, sondern auch andere einschneidende Ereignisse schlagen sich auf die Musik nieder: Trennung, Tod, neue Liebe usw. Worüber schreibt jetzt also Matze Rossi, ehemaliger Sänger der Punkband Tagtraum, heute Yogalehrer, Vater von drei Kindern, Dozent für Sozialpädagogik, der sich mit 39 Jahren nach einer mehrjährigen Auszeit dazu entschieden hat, sein fünftes Soloalbum zu veröffentlichen? Ganz genau: „Ich Fange Feuer“ ist der Soundtrack für die Midlife Crisis.

Das klingt jetzt erstmal abschreckend und wenig nach Rock’n’Roll. Aber Matze Rossi hat es auch nicht leicht. Er muss mit dem gleichen Problem kämpfen, das dafür verantwortlich ist, dass es englischsprachige Singer/Songwriter hierzulande anscheinend einfacher haben als deutsche: Das Publikum versteht seine Texte und legt deshalb auch Wert auf sie. Sind englische Texte schlecht, stört man sich normalerweise nicht so sehr daran. Man kann sie sich wegdenken, solange die Musik ansonsten gut ist. Das klappt auf Deutsch leider nicht. Das alles soll nicht heißen, dass die Texte von Matze Rossi nicht gut wären – obwohl man schon sagen muss, dass sie auf vorherigen Alben schon mal wesentlich besser waren. Aber auch das mag dem Thema geschuldet sein. Dieses Thema ergibt sich aber erst in seiner Eindeutigkeit, wenn man die einzelnen Texte mosaikartig aneinanderlegt: Mal geht es darum, die Vergänglichkeit des eigenen Lebens zu erkennen, andere Songs beschäftigen sich damit, dass man für die Verwirklichung seiner Träume kämpfen muss. „Erzähl Mir Nichts“ handelt zum einen davon, wie man gemeinsam in einer Beziehung altert, andererseits geht es aber auch darum, die Verantwortung für sein Glück übernehmen und sich nicht in Ausreden zu flüchten.

Dass das alles rein inhaltlich sehr klischeehaft ist, ist klar. Aber auch das wird zumindest kurz in „Es Ist, Wie Es Ist“ thematisiert, wenn es um diese ziellose Rastlosigkeit geht, die Männer mit schütterem Haar in Hollywoodfilmen dazu bringt, sich einen Sportwagen zu kaufen und damit einen Roadtrip zu starten: „Ich muss hier raus und weg. Ich frage dich: Willst du nicht mit? Und ich weiß nicht genau, wohin. Auch wenn das so abgedroschen klingt. Ich will doch nur wissen, wer ich bin.“ Was nun dafür sorgt, dass „Ich Fange Feuer“ trotz diesem doch eher unsympathischen Thema der Midlife Crisis gut hörbar bleibt, ist zum einen, dass die Lieder nicht in Selbstmitleid ertrinken. Wenn es negative Anklänge gibt, dann geht es eher darum, dass es viel zu viele tolle Möglichkeiten gibt, die man gar nicht alle wahrnehmen kann. Zum anderen (und das ist so trivial, dass es sich kaum zu sagen lohnt) wirkt Matze Rossi deshalb nicht albern, weil seine Träume so authentisch sind. Er ist eben kein Börsenmakler, der sich mit Mitte Vierzig tätowieren lässt und mit der Nachbarstochter nach Südfrankreich abhaut, um dort sich selbst zu suchen. Matze Rossi ist schon immer Musik, war früher schon Punk, war noch nie der Spießer, dem wir sonst bei dieser komischen Wandlung zusehen können. Und – er bleibt bei aller Träumerei Realist, der sich der Verpflichtungen, die man als Familienvater hat, sehr wohl bewusst ist: „Leuchtende Augen und der tosende Applaus stillen meine Sehnsucht und den Hunger nicht auf Dauer, schon gar nicht den von euch.“ Wenn schon Midlife Crisis, dann so.

Lisa Dücker

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