Rezension

La Femme

Psycho Tropical Berlin


Highlights: Antitaxi // Amour Dans Le Motu // Sur La Planche 2013 // It’s Time To Wake Up (2023)
Genre: Synthie-Punk // Surf-Pop // Psychedelic // Disco
Sounds Like: Siouxsie & The Banshees // Stereolab // The Velvet Underground // Marie Et Les Garçons

VÖ: 07.02.2014

Auf „Psycho Tropical Berlin“ passiert eine Menge. Ständige Genre-Wechsel quer durch die Musikgeschichte und gleich vier Sängerinnen, die den Songs ihre Stimmen leihen, könnten dazu führen, schnell den Überblick zu verlieren. Beginnen wir deshalb ganz vorne.

Alles fängt 2010 im sonnigen Biarritz an der Atlantikküste an, als sich mit Gitarrist Sascha Got und Keyboarder Marlon Magnée die Gründungsmitglieder der Band finden. Schnell in Paris zur Lokalgröße aufgestiegen und mittlerweile zu fünft, gönnen sie sich in Kalifornien einen entwicklungsförderlichen Bandurlaub. Zurück in Paris sucht man eine Stimme für die weitestgehend instrumentalen Stücke, die weiblich und nach den Sechzigern klingen soll. Überhaupt, Frauen seien für sie ein Rätsel, stellen die fünf Herren von La Femme fest und können sich schließlich nicht für die perfekte Sängerin entscheiden. Gleich vier sind deshalb auf „Psycho Tropical Berlin“ zu hören, das nun mit fast einem Jahr Verspätung auch in Deutschland erscheint.

Die Platte wurde so am Ende ein Abbild vielseitigster Eindrücke. Inspirationsquelle seien verschiedene Städte gewesen und die Erwähnung Berlins im Titel des Albums spiegele die kalte elektronische Seite La Femmes wieder. Von Kälte ist glücklicherweise auf dem Album nicht viel zu spüren. Da wären die surfrockigen bis Rockabilly-lastigen Gitarren, die die temporeichen Fast-schon-Punk-Nummern veredeln. Wilde eingängige Synth-Melodien, die einerorts Fahrt aufnehmen, um sich wieder beruhigt andernorts krautrockig auszubreiten. Ein den Achtzigern entlehnter Disco-Bass treibt mit seinem Pulsieren Schweiß auf die Stirn. Und nicht zuletzt sei der bezaubernde Gesang der Sängerinnen von Clémence Quélennec, Clara Luciana, über Jane Peynot und Marilou Chollet zu erwähnen, der ganz in Französisch gehalten sich charmant von der Masse abhebt.

„Prends le bus! Prends le bus! Anti-taxi!“ Die wohl markanteste Textzeile des Albums steht ganz am Anfang („Antitaxi“) und ist exemplarisch für die wilde Seite von La Femme. „Sur La Planche 2013“ oder „Packshot“ gehen in die gleiche Richtung und in puncto Ohrwurm-Faktor legt ersterer sogar noch einen drauf. Doch es handelt sich hier mitnichten um Öko-Punk. „Psycho Tropical Berlin“ lebt von seinen wahnwitzigen Wechseln. So darf es dann nicht überraschen, wenn „It’s Time To Wake Up (2023)“ wie ein modernes Update der Velvet Underground zu ihren besten Zeiten klingt. „Amour Dans Le Motu“ ist ein genial arrangierter Punk-Song, dessen Hauptrolle sich Gitarre und Keyboard im Zusammenspiel teilen.

Dass die Stücke gegen Ende eine gewisse Redundanz aufweisen, fällt kaum ins Gewicht. Zu viel Gutes hat „Psycho Tropical Berlin“ einfach zu bieten. Es klingt so retro wie futuristisch und ist doch beides gleichzeitig.

Jonatan Biskamp

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