Rezension

Kinderzimmer Productions
Todesverachtung To Go
Highlights: Lecker Bleien // Boogie Down // I Don't Mind
Genre: Deutscher Hip Hop
Sounds Like: Eins Zwo // Doppelkopf // Cora E. // Stieber Twins // Gil Scott-Heron // Deichkind // Rodolphe Burger & Olivier Cadiot
VÖ: 17.01.2020

Irgendwann in den 1970ern entwickelte sich in New York HipHop. Irgendwann in den späten 1980ern folgte dann auch endgültig Deutschland dem Trend, und spätestens 1995 mit der Klasse von 95 ließ sich das Phänomen nur noch schwer ignorieren. Ein Jahr vorher schon veröffentlichten Textor und Quasi Modo ihr erstes Album als Kinderzimmer Productions. 2007 war dann Ende, beziehungsweise eigentlich erst 2010, nein, so richtig erst 2012.
Fünf Jahre gingen wohl etwa ins Land, bis Henrik von Holtum und Sascha Klammt sich nicht mehr zurückhalten konnten und anfingen, das Kinderzimmer zu entstauben. Herausgekommen sind elf Tracks, die dieser Tage unter dem Titel “Todessehnsucht To Go” erscheinen.
1996 befahl von Holtum uns, den Schnabel zu halten, rappte über die Bassdrum, die in die Glieder und die Snaredrum, die in die Knochen fährt, und lobte die Symbiose zwischen Quasi Modo und Sampler. Er ergänzte über sich “Ich wüt' wie die Babba Yaga fürchterlich / Wie Babba Yaga jag' ich dich / Krieg' ich dich / Fress' ich dich”. Was damals galt, gilt tatsächlich auch 24 Jahre später noch. Nicht nur sind die Beats zielgenau und die Samples optimieren die Tracks, nein, insbesondere von Holtums Wortwitz und Flow machen klar, dass die Kinderzimmer Productions gekommen sind, um der Szene und der Nation zu zeigen, was eine Deutschrap-Harke ist.
Musikalisch dominieren weiterhin Funk und Jazz, aber die Rhythmen sind überraschenderweise noch vielfältiger geworden. Auch die Samples, die im Kinderzimmer immer mehr als Verzierung waren, die amüsieren und die Gehirne animieren sollen, sind hier auf einem neuen Level angekommen. Textors Raps konzentrieren sich inhaltlich einerseits auf absurde Wortansammlungen und andererseits auf raptypisches Brunftverhalten auf Kinderzimmer Productions' üblichem erhöhten intellektuellen Niveau.
Die Vorabsingle “Es kommt In Wellen” zum neuen Album enthält die Zeile “Die Leute dachten, ich mache smarten Rap, doch ich bin ... 'Shark Attack'!" Tatsächlich ist das ganze Album nicht nur eine Übung in intelligentem Rap, sondern eine Demonstration, wie typische, latent vulgäre Rap-Stilmittel und -Inszenierungen durch kluge Ausführung gewinnen. Während der Flow ebenfalls weiterhin top ist, scheint die Aussprache gelegentlich verwaschen.
Auf ihrem Zweitling berichteten die Kinderzimmer Productions, was passieren kann, wenn man Busta Rhymes' “The Coming” beim Autofahren hört. Das gleiche galt seit dem Debüt auch für Kinderzimmer-Platten. Kopfnicken und damit verbundene übertrieben heftige Bewegungen können zu ungeahnten Nebenwirkungen führen, und insbesondere wer an der Ampel neben der Polizei steht, braucht vermutlich übermenschliche Anstrengungen, um nicht einen auf Lowrider zu machen.
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