Rezension

Justin Timberlake

Man Of The Woods


Highlights: Sauce // Man Of The Woods // Flannel
Genre: R’n'B // Soul // Pop // Folk
Sounds Like: Pharrell Williams // Timbaland // Fleet Foxes

VÖ: 02.02.2018

Nun ist es also auch bei Mister Suit & Tie angekommen: Nature sells. Back to nature war das vorherrschende Thema in den Trend Reports der letzten Jahre. Der Mensch wendet sich vom Urbanen ab, um sein Heil in der Natur zu suchen. Campingkocher, Vollbart und Wollmütze sind die neuen Utensilien des halburbanen Waldschrat-Hipsters, der sein Leben auf Instagram teilt und zwischen Brooklyn und National Parks hin- und herpendelt. In einer Zeit also, in der sogenannte Adventure-Blogger sechsstellige Followerzahlen auf ihre Accounts ziehen und Bücher mit den Namen “Into The Woods” oder “Cabin In The Woods” die Auslagen kleiner Büchereien vom Prenzlauer Berg bis nach Reykjavík überschwemmen, ist es nur konsequent, dass auch jemand wie Justin Timberlake Anzug und Krawatte ablegt und ins großzügig karierte Flanellhemd schlüpft. Man in the woods also.

Zunächst ein sehr interessanter Ansatz. Gerade wenn man bedenkt, dass eigentlich alles, was Justin Timberlake anfasste, am Ende gut wurde. Da kann es doch nicht schaden, sich ein bisschen bei Justin Vernon und den Fleet Foxes zu bedienen und das Ganze in den popfähigen Mainstream zu transponieren! Versehen mit dem Narrativ der Selbstfindung, auf der Suche nach den eigenen Wurzeln, ist das Konzept von „Man Of The Woods“ vielversprechend.

Was auf dem Reißbrett gut klingt, verschwimmt jedoch in der Praxis. Denn statt völlig neue Wege zu gehen, setzt JT auf bewährte Mittel. Timbaland und die Neptunes liefern die bekannt eingängigen Signature Beats, auf deren Nährboden sich ein inkonsistenter Genremix ausbreitet. Der Opener “Filthy” bewegt sich noch in bekannten Gefilden: Futuristischer R’n’B mit Super-Bowl-Halbzeitshow-Charakter. Justin Timberlake in seinem natürlichen Habitat. Im Verlauf der Platte wagt er sich dann etwas hinaus, Country (“Say Something”), Soul, Flamenco (“Wave”), Reggae und Gospel. Auf „Flannel“ wagt sich Timberlake zum ersten und einzigen Mal dorthin hinaus, wo man sich das ganze Album gewünscht hätte. Gospel-Chöre treffen auf einen Fleet-Foxes-Einschlag und werden zu einer, zumindest textlich, sehr uninspirierten Ode an das Flanell-Hemd. Das ist keine Ironie, sondern bitterer Ernst. Und damit wäre neben der fehlenden Konsequenz ein weiteres Problem des Albums benannt: Die ironiefreie Vergewaltigung von Klischees. Gemeinsam mit den triefend kitschigen Anspielungen, die im Abschlusstrack “Young Man” kulminieren, machen sie „Man of The Woods“ letztlich zu einem im Marktforschungslabor entstandenen Pop-Produkt, das die vermeintlichen Strömungen und Trends der Populärkultur aufzugreifen und in ein Kunstprojekt zu pressen versucht.

So scheitert ein in der Theorie interessantes Projekt an der letzten Konsequenz, die beschrittenen Pfade zu verlassen und neue Wege zu gehen. Inhaltlich hat Timberlake nichts Nennenswertes zu erzählen und so ist „Man Of The Woods“ am Ende ein enttäuschender Pseudoausbruch aus dem Bekannten, den niemand so wirklich gebraucht hätte. Am wenigstens Timberlake selbst.

Andreas Peters

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