Rezension

Julien Baker

Sprained Ankle


Highlights: Sprained Ankle // Everybody Does // Something // Rejoice
Genre: Singer-Songwriter // Indie
Sounds Like: Damien Rice // Torres

VÖ: 17.03.2017

Es gibt Alben, die aus welchen Gründen auch immer von uns sträflich vernachlässigt werden. In den meisten Fällen landen diese dann am Jahresende in unseren Verpassten Perlen. Nicht so „Sprained Ankle“, das zur Zeit der Erstveröffentlichung komplett an uns vorbei ging. Umso schöner, dass es nun einen Re-Release des Debüts von Julien Baker gibt. So können wir nun doch noch, mit mehr als einem Jahr Verspätung, unsere Liebe zu dieser wunderschönen Platte zum Ausdruck bringen.

Das 33-minütige Album ist minimalistisch, dennoch unglaublich facettenreich. Baker und ihre Gitarre beziehungsweise manchmal ein Piano, mehr benötigt es nicht, um den Menschen Tränen in die Augen zu spielen. Ein wenig wie eine weibliche Version von Damien Rice breitet die US-Amerikanerin ihr gesamtes Leben, in dem sie für eine 21-jährige schon enorm viel erlebt hat, vor uns aus. Dabei klingen die ruhigen Melodien mindestens genauso zerbrechlich wie die Stimme Bakers, was den persönlichen Songs eine unglaubliche Authentizität verleiht. Dass sie etwas zu erzählen hat, ist unstrittig: In jungen Jahren hat sie es geschafft, ihre Drogensucht zu überwinden, dazu hat sie ebenfalls sehr jung realisiert, dass sie homosexuell ist und dennoch ihre Verbindung zur Kirche und Religiosität nicht verloren. Letztere findet sich beispielsweise in „Rejoice“ wieder: But I think there’s a God and he hears either way // when I rejoice and complain // lift my voice // that I was made // and somebody’s listening at night with the ghosts of my friends when I pray. In schlichten Worten legt Baker eine unfassbare Emotionalität an den Tag, wie es nur sehr wenige Musiker können. Aber nicht nur bei „Rejoice“, auch „Everybody Does“, „Sprained Ankle“ und „Something“ sind Garanten für eine dauerhafte Gänsehaut.

Und sogar das Hervorheben dieser Titel ist eigentlich nur unfair, da die Highlights der Platte von Hördurchgang zu Hördurchgang wechseln und man immer wieder neue, besondere Momente entdeckt. Mal sticht diese Melodie heraus, mal geht einem jene eine Strophe besonders nahe. Das ist auch der Grund, warum „Sprained Ankle“ auch heute noch wächst und wächst. Ein Album, dessen Stärke so sehr in der Authentizität, in den Emotionen und der zerbrechlichen Stimme Bakers liegt, kann gerne mal etwas länger brauchen, um seine volle Größe zu entfalten. Wenn das dann soweit ist, kommt man aber nur sehr schwer daran vorbei, sich komplett in die Musik zu verlieben.

Lewis Wellbrock

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