Wow! Julia Holter weiß mit ihrer neuen Platte „Have You In My Wilderness“ gleich zweifach zu überraschen: einmal ihre Hörer, und zum zweiten die, die sich noch nicht mit ihr beschäftigt haben. Ihre Hörer deshalb, weil ihre großartigen Kompositionen erstmals nicht sehr kühl und distanziert wirken, den Rest, weil die Songwriterin aus L.A. Intimität mit Abstraktheit vereint. Ihre Musik ist hier nicht nur auf emotionaler, intimer Ebene beeindruckend, aber eben auch nicht nur auf der Ebene der Arrangements. Beides weiß beständig zu überraschen und geht eine Symbiose ein, die nach ihren letzten Werken so nicht ganz zu erwarten war. „Have You In My Wilderness“ ist somit ihr bislang bestes Werk.

Und sie holt darauf ihre Hörer in ihre eigene Wildnis, eine Welt der Zweifel, der Unsicherheit, verpackt in kühlen Balladen. Doch eine Ballade ist hier nie nur ausladend, sie ist auf eine Art auch immer radikal – voller Jazz-Elemente, überraschender Wendungen, wie das großartige „Sea Calls Me Home“. Erstmals stört all das eine gewisse Verträumtheit nicht, sondern geht mit ihr im Einklang. Die Songs sind warm und dunkel zugleich. Schön ist, dass das Songwriting größtenteils intuitiv verlief, viele der Texte sind im Bewusstseinsstrom entstanden, diese Platte ist also wirklich das, was Holter gerade ist, nicht etwas, das sie darstellen will.

Genau das macht die Platte auch so intim. Etwa in „Night Song“ kommt der Hörende ihr extrem nahe. Nach den vergangenen, kühleren Alben ist es schön, dass Holter diesen Weg intuitiv gefunden hat. „Have You In My Wilderness“ macht sie endgültig zu einer der spannenderen Songwriterinnen unserer Zeit, von der wir sicher noch eine Menge erwarten können.

Daniel Waldhuber

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