Rezension

Juli Zeh & Slut

Corpus Delicti - Eine Schallnovelle


Highlights: Moritz // Neurotitian // Your Names
Genre: Hörspiel-Krimi mit Spannung und Pop
Sounds Like: Kurt Weill (Die Dreigroschenoper) // Indie

VÖ: 18.09.2009

Eine große Geschichte umgeben von großer Musik. Die Schriftstellerin Juli Zeh und die Band Slut haben sich zusammen gefunden und heraus gekommen ist die perfekte Komposition: Eine Schallnovelle. So der Untertitel ihres gemeinsamen Werkes. Der im Frühjahr erschienene Roman „Corpus Delicti“ von Juli Zeh wurde durch Mithilfe der Band Slut zu einem spannenden Hörspiel weiter entwickelt. Für „Corpus Delicti“ haben Slut sieben neue Songs geschrieben. Dazu hat dann Juli Zeh einige Textpassagen aus ihrem Buch ausgewählt und auch teilweise neu entworfen, so dass alles zusammen einen Hörspiel-Krimi ergab.

Die Lieder der Band reichen von sphärischen Orgel-Spielen, wenn es um die Definition von Liebe geht („600“), wirken zum Beispiel bei der Gerichtsverhandlung spannungsaufbauend, flirren verwirrend daher wie in „What Does It All Mean“, um die unverständlichen Situationen der Darsteller zu verstärken, bis in „The Great Unwinding“ mit beruhigenden Gitarrenanschlägen und poppigen Gesängen der Puls wieder herunter kommen kann. In „Neurotitian“ umwebt die Musik perfekt die Texte der Sprecher: „You only look at / You only look at yourself“ singen Slut, das Klavier spielt einen schnellen, spannungsaufbauenden Lauf, und die Erzählerin spricht mit klaren, einhämmernden Worten: „Bei jeder Gelegenheit wiederholte er einen Satz, der ins Ohr ging wie ein Schlagerrefrain.“ Durch solche Ausschmückungen des einfachen Hörspiels kommt es, dass man die einzelnen Szenen wahrhaftig wie einen Film im Kopf ablaufen sieht.

Der Film im Kopf ist allerdings recht kompliziert. In dem fiktiven Roman von Juli Zeh geht es darum, wie es im Jahre 2057 bei uns aussehen könnte: DAS SYSTEM beherrscht alle Menschen. Dabei will es nichts Schlechtes für die Menschheit, es will lediglich Gesundheit. Gesundheit! Das ist das A und O des Systems. Darum soll jeder Mensch so leben, dass er gesund ist, sich gesund ernährt und seinen täglichen Sport treibt. Wenn ein Mensch aus dem System herausfällt, und somit auffällig wird, weil er seine Wohnung einige Tage lang nicht sauber gehalten hat, kann das schwere Folgen haben. Mia Holl fällt aus dem System heraus. Weil sie nicht mehr an die Richtigkeit des Systems glauben möchte, durch welches ihr Bruder zu Unrecht verurteilt wurde, und daraufhin durch die Ausweglosigkeit seiner Lage keinen anderen Weg sieht, als sich selbst das Leben zu nehmen.

Das Hörspiel zitiert gelungen den Kern des Romans, und macht damit Lust, diesen auch komplett zu lesen. Denn es bietet schöne, spannende, traurige, fantastische und eben auch nachdenkliche Passagen. Zum Schluss noch ein kurzer Auszug: „Wie soll man ein geliebtes Wesen betrachten / Wenn man ständig daran denken muss / Dass es nur ein Teil des gigantischen Atomwirbels ist aus dem alles besteht // Wie soll man es ertragen / Dass sich das Gehirn / Unser einziges Instrument des Sehens und Verstehens / Aus den gleichen Bausteinen zusammensetzt wie das Gesehene und Verstandene // Was soll das sein? / Materie / Die sich selbst anglotzt?“

Marlena Julia Dorniak

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