Rezension

Jonathan Bree

Sleepwalking


Highlights: You’re So Cool // Fuck It
Genre: Avantgarde // Ambient // Electronica
Sounds Like: Get Well Soon // Depeche Mode

VÖ: 08.06.2018

“Sleepwalking” ist das dritte Album des Multi-Instrumentalisten und Produzenten Jonathan Bree, mit dem er nun auch über die Landesgrenzen seiner neuseeländischen Heimat auf sich aufmerksam macht. Besonders durch die Single „You’re So Cool“ mit dem dazugehörigen Musikvideo hat Bree zumindest visuell mit seiner Band voller Gesichtsloser (ähnlich dem Albumcover) einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Aber auch auf musikalischer Ebene bleibt der Song hängen und fasst die Charakteristik des ganzen Albums auf knapp fünf Minuten zusammen: Minimalistischer Sound, orchestral ausgeschmückt und mit Bedacht arrangiert.

Auf „Sleepwalking“ klingt Jonathan Bree, als sei er der leicht schräge und verwirrte Bruder von Konstantin Gropper aka Get Well Soon. Wie das deutsche multiinstrumentale Mastermind integriert auch Jonathan Bree orchestrale Elemente in sein Songwriting: Streicher-Arrangements, gezupfte Cellos, Pauken, Hörner, Glockenspiele und Chöre. Das Songgewand bleibt dabei meist minimalistisch. Die Basis bilden in den meisten Songs ein monoton-smoother Drumgroove und eine tragende Bassline. In einem der stärksten Songs des Albums „You’re So Cool“ ist es eine gezupfte Streichersequenz, die mit Schlagzeug und Bass das Fundament bildet, auf dem sich dann im Laufe des Songs Brees prägnante Barritonstimme, atmosphärisch heulende Gitarren und reduzierte Synthesizer aufbauen.

Das Album braucht ein paar Durchläufe, bis es einem auf schräge Art und Weise seine Schönheit offenbart. Lässt man die Songs auf sich wirken, zeigen sie ihren versteckten Glanz und bestechen besonders durch die guten und durchdachten Arrangements, die von Fiddel bis Glockenspiel so ziemlich alles unterbringen, was im Instrumentenraum zu finden war. Mal düster, mal lieblich, mal bittersüß, mal dezent gruselig. Trotz der vielen schönen und poppigen Melodien ist die Grundstimmung der Platte eher trüb und erinnert teilweise durch tragenden Synthesizerflächen an Depeche Mode. Es sind kurze Momente, die es schaffen, diese Düsternis immer wieder zu durchbrechen und sich dann mit aller Wucht offenbaren. Anteil daran haben auch die vielen Duette, die auf dem Album zu finden sind. So beispielsweise mit der neuseeländischen Musikerin Princes Chelsea in dem Song „Plucking Pedlas“, der anfangs mit mysteriösem Kinderglockenspiel auch in ein Harry-Potter-Intro passen würde, bevor eine Marching-Snare das Duett auf die Zielgerade bringt, um dort einen dieser verschroben schönen Momente des Albums zu offenbaren. Ein weiteres Duett ist auf dem letzten Song des Albums „Say You Love Me Too“ mit der katalanischen Musikerin Clara Vinals zu finden, die mit teils intimem Geflüster, teils im Duett mit Jonathan Bree dem Song eine eigene Note verleiht.

Klassische Popsongstrukturen finden sich auf „Sleepwalking“ selten und auch vor Dissonanzen schreckt Bree nicht zurück. Nichts für Anfänger und definitiv nichts zum nebenbei mal reinhören in Spotifys "Mix der Woche". Hinsetzen mit Zeit und Rotwein und zwischendurch mal aufstehen, um sich leicht betrunken in die mäandernden Soundflächen fallen zu lassen. Zeilen wie “Find solace in the privilege to pursue, Most people are crushed into servitude” (“You’re So Cool”) machen den Rest.

Abhilash Arackal

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Video zu "You're So Cool"

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