Rezension

Joker's Daughter

The Last Laugh


Highlights: Cake And July // Chasing Ticking Crocodile // The Bull Bites Back // Yellow Teapot // Jessie The Goat // Go Walking // Lucid
Genre: Folk-Pop
Sounds Like: Joanna Newsom // Marissa Nadler // Emiliana Torrini // The Cardigans // The Owl Service // Findlay Brown // Badly Drawn Boy // Jorge Drexler

VÖ: 17.07.2009

Noch ein Folkpop-Album. Schon wieder eine Danger-Mouse-Kooperation. So ließe sich auf das Projekt Joker’s Daughter, bestehend aus Danger Mouse und der Britin griechisch-zypriotischen Ursprungs Helena Costas, und ihr Album „The Last Laugh“ reagieren. Die Erwartungen hießen folglich: nett, mit der Chance spektakulär zu sein, spektakulär in der Verbindung oder aber Gegenüberstellung digitaler Produktionsmittel und analoger, natürlicher Folkmittel. Diese Chance verspielen die beiden Künstler zwar, dennoch gelingt ihnen ein mehr als einfach nur nettes Folk-Album. Im Klang einmal abweisend spröde und zerbrechlich, einmal süffig, süßlich und mitreißend erscheint das Album vielfach als Poppig-Sommerliches für Hörer der Cardigans oder Fans des Sommerhits 2009 (Emiliana Torrinis „Jungle Drum“) und verzaubert im nächsten Augenblick als psychedelisch-träumerisches Märchen die Freunde von Findlay Brown, The Owl Service, Marissa Nadler oder Joanna Newsom.

Während Costas eindeutig aus solch einem (psychedelischen) Folk-Hintergrund zu stammen scheint, fügt Brian „Danger Mouse“ Burtons Hilfe vielen Stücken eine zusätzliche Komponente hinzu, die vereinfacht mit „Jahrmarkt“ umschrieben werden mag. Allerdings eröffnet „Worm’s Head“ das Album noch als netter multi-instrumentaler Folk-Pop voller Streicher und erstaunter oder erstaunlicher, zart getupfter Synthesizereinsätze. Einfach gefallend plätschert es zunächst daher, gewinnt aber einen für seine Harmlosigkeit erstaunlichen Sog. Auch „Under The Influence of Jaffa Cakes“ entwickelt sich als kleine, süße Popnummer, bei der synthetische Produktion und herkömmlich pop-rockige Gitarren, einzelne Bläser und säuselnder Gesang laut nach Radioeinsatz rufen.

Der Folkhintergrund von Helena Costas steht im hypnotischen, schönen „Nothing Is Ever What It Seems“ im Vordergrund. Als bezaubernd zerbrechlicher, einfacher, akustischer Folk zeigt das Stück, dass dieses Album auch ohne Brian Burtons Mitwirkung ein trefflicher Genuss geworden wäre. Diesen Eindruck vertieft „Go Walking“ mit gepickter Gitarre, gehaucht vorgetragenem Gesang und angetäuschten Hufschlägen im Hintergrund - perfekt inszeniert zwischen symphonischem Pop und folkloristischer Einfachheit. Auch „Lucid“ oder „Cake And July“ wurzeln im Prinzip in folkloristischer Einfachheit. Ersteres treiben digitale Klangeffekte in neue Höhen, betonen die dem Stück innewohnende Energie und geben einer eigentlich simplen Struktur, die auch als solche gefallen würde, mindestens eine zusätzliche Dimension. In letzterem breiten sich Märchenhaftes und verträumt Mythologisches über kalorienreichen Streichern aus. Einzelne Bläser akzentuieren dies und Synthesizer-Blubbern gibt ihm neue Tiefe.

Ähnlich gestaltet sich „Chasing Ticking Crocodile“, verwandelt aber das Mythologische eher in eine fantastische, literarische Atmosphäre. Einzelne Klavierklänge, eine säuselnde Stimme, eine flackernde Synthesizerflamme und computergeneriert klingende Holzbläser führen Joker’s Daughter und den Hörer in einen tiefen, dunklen Wald, in dem vermutlich mehr als eine Hexe wohnt, oder aber geben in der traumwandlerischen Perfektion ihrer Erzeuger dem Peter-Pan’schen „Never Neverland“ einen Soundtrack. Dies wiederum lässt sich im Sinne der erwähnten Jahrmarkts-Atmosphäre deuten. Diese verbreitet auch der Titeltrack, in dem Synthesizer und hauchender Gesang in schwingenden Walzerkreisen umeinander ziehen. Besonders aber wird diese Atmosphäre von „The Running Goblin“ erzeugt, das in einer Geisterbahn zu beginnen scheint und uns von dort auf eine Reise in eine Parallelwelt, in ein Wunderland schickt. In dieser Welt findet auch „The Bull Bites Back“ statt. Wie mehrfach auf „The Last Laugh“ erzählt Helena Costas in mehr oder weniger mädchenhaftem Stimmeinsatz über einen hüpfenden Synthesizer ihre Geschichte. Das Ganze gestalten die Musiker zuckrigbonbonbunt. Ganz fürchterlich hübsch sozusagen. Dem Jahrmarkt ist es auch vorbehalten, uns mit dem verzerrt rauschenden, beschwingten und doch leicht düsteren Lullaby „Yellow Teapot“ aus dem Album zu entlassen.

Ohne die Mitwirkung der Burton’schen Freunde Scott Spillane oder Daniele Lupi und ohne die Hilfe von Brian „Danger Mouse“ Burton selbst wäre „The Last Laugh“ von Joker’s Daughter Helena Costas vermutlich einfach ein zauberhaft simples Album geworden. Es hätte die Ideen des latent rückwärtsgewandten, weltfremden und weltfliehenden, psychedelischen Folk in „Alice In Wonderland“- und „Peter Pan“-Welten weitergeführt. In der Verbindung mit dem Produktionstalent Burtons, der nie zu dominieren versucht, aber weiß, wann er etwas zum Songwriting beitragen kann, wird daraus eher der perfekte Soundtrack zu den fantastischen Reisen durch die Welt der Literatur, wie sie Jasper Fforde mit seiner Literaturagentin Thursday Next erzählt. Es gelingt also die klangliche Entsprechung einer Welt, in der sowohl Zeit und Raum als auch Literatur in jederlei Richtung zu durchreisen sind.

Oliver Bothe

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