Rezension

John Murphy
Anonymous Rejected Filmscore
Highlights: How To Leave Your Body // Dead Ballerina // California
Genre: Soundtrack
Sounds Like: -
VÖ: 16.08.2014 (Import)

Es ist die Musik, die Filmbilder mit Leben erfüllt. Keine Hollywood-Verfilmung ist ohne durchkomponierten Soundtrack denkbar, schon zu Stummfilmzeiten gehörte die Begleitung mit einem Klavier oder einem Orchester zum guten Ton. Das Besondere: Während hinter einer millionenschweren Filmproduktion mittlerweile hunderte Menschen stehen, ist das Finden der richtigen Klänge noch immer die Aufgabe eines einzelnen genialen Kopfes. John Murphy ist einer von ihnen. Der Engländer hat die Soundtracks zu zahlreichen Filmen komponiert, darunter „Sunshine“, „The Last House On The Left“ und „28 Days Later“. Sein vielleicht wichtigstes Projekt aber ist die Vertonung eines Filmes, den es gar nicht gibt.
Hinter dem just veröffentlichten „Anonymous Rejected Filmscore“ verbargen sich zunächst Skizzen zu einem tatsächlichen Film. Nachdem John Murphy aber kurz vor Toresschluss der Auftrag entzogen wurde, fehlten zu seiner Musik plötzlich die Bilder. Murphy legte das Projekt zunächst zu den Akten und nahm es sich schließlich wieder vor, um es zu beenden. Dieser Prozess dauerte mehrere Jahre. Entstanden ist ein mehr als einstündiger Soundtrack. Einer, der im leeren Raum schwebt.
Die Krux: Filmmusik hat stets etwas Funktionales. Sie verstärkt Gefühle, die beim Betrachten von Bildern entstehen. Fehlen die Bilder, wirkt die Musik unfertig. Es ist nun am Hörer, diese Bilder in seinem Kopf entstehen zu lassen. Bei Murphy sind die düsteren Sounds, zusammengestellt aus Streichern, Gitarren, Klavier und elektronischen Elementen, prädestiniert dazu, vor dem inneren Auge einen komplexen Psychothriller oder ein existenzialistisches Drama heraufzubeschwören. Auf jeden Fall einen stark ästhetisierten Streifen, der mit Zeitlupen und Tiefenschärfe arbeitet; der uns über die Bildsprache gefangen nehmen soll.
Murphys Kompositionen leben von ihren Melodien, von ihrer unmittelbaren Wucht. Genau diese schnelle Wirkung sollen sie bei einem Film ja auch erzielen. Bei mehrfachem Hören wirken sie allerdings schlicht, vielleicht sogar simpel. Murphy selbst räumt ein, dass er autodidaktisch arbeitet. Ein Vergleich mit Hans Zimmer in einem Interview brachte ihn zum Lachen. Tatsächlich ist die Orchestrierung bei Murphy stets transparent, spartanisch gehalten. Manchem wird gerade diese Einfachheit, dieses Puristische gefallen. Und manchem wird die Tiefe fehlen.
Aber auch gemessen an seinem eigenen Schaffen ist „Anonymous Rejected Filmscore“ nicht der ganz große Wurf. Die Größe des gefeierten Adagios aus „Sunshine“ erreicht das neue Werk beispielsweise an keiner Stelle. Am ehesten stechen „How To Leave Your Body“, der vielleicht kompletteste Track mit epischem Streichorchester, Arpeggios und einem großen Finale, sowie „Dead Ballerina“, eine eher kammerorchestrale Ballade, hervor. Über die Länge des Albums entsteht aber einfach zu wenig Spannung, manches wabert vor sich hin. Vieles klingt ähnlich, düster, elegisch, apathisch. Trotzdem ist dieses Album allein schon aufgrund seiner Hybridform zwischen Unterhaltungs- und funktionaler Musik ein Hineinhören wert.
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