Rezension

Jessica Pratt

On Your Own Love Again


Highlights: Game That I Play // Greycedes // Back, Baby
Genre: Folk // Singer-Songwriter // Psychedelic Folk
Sounds Like: Vashti Bunyan // Marianne Faithfull // Joanna Newsom

VÖ: 30.01.2015

Manche Alben klingen wie ein Artefakt aus längst vergangenen Zeiten. „On Your Own Love Again“ ist so ein Fall. Jessica Pratt würde man – zumindest aus PR-Sicht – am ehesten als Singer-Songwriterin bezeichnen, mit neumodischen Vertretern wie Sharon van Etten oder Angel Olsen hat sie allerdings gar nichts gemeinsam. Vielmehr ist das zweite Album der Kalifornierin eine Reminiszenz an den obskuren Psychedelic-Folk der Sechziger und Siebziger – an Vashti Bunyan, an Sibylle Baier und andere lange verschollen geglaubte Musiker, die erst mit der Freak-Folk-Welle der Nuller eine breitflächigere Rezeption erlebten.

Wo viele Singer-Songwriter zur Larmoyanz neigen und mit ganzen Streichorchestern und ausufernden Crescendi dicke Tränen vom Himmel reißen wollen, ist „On Your Own Love Again“ wirklich intim. Nur mit Gitarre und Gesang trägt Jessica Pratt ihre nuancenreichen Lieder vor, offenbart kleinere Fehler und schafft dadurch eine immense Nähe zum Hörer. Eine solche stilistische Reduktion läuft natürlich Gefahr, schnell abzunutzen und monoton zu werden. Doch glücklicherweise besitzt Jessica Pratt eine Stimme, die sowohl ein luftiges Säuseln als auch die Tiefe einer Nico annehmen kann. Auch das größtenteils gezupfte Gitarrenspiel ist ein Distinktionsmerkmal, mit dem sich Jessica Pratt von den oft bestmals amateurhaften instrumentalen Fähigkeiten vieler Singer-Songwriter abhebt.

Natürlich ist „On Your Own Love Again“ trotz all dieser feinen Nuancen ein sehr homogenes Album, welches in seiner Geschlossenheit beim ersten Anhören langweilig wirken kann. Außer der Vorabsingle „Back, Baby“ unterscheiden sich die Lieder anfangs kaum. Für viele Hörer wird es eine Geduldprobe sein, „On Your Own Love Again“ aufzubrechen, denn erst nach mehrmaligen Durchläufen nehmen die feinen Gesangsmelodien und zart angedeuteten Harmoniebögen konkretere Gestalt an. Der mit dem restlichen Lied brechende Schlussteil von „Game That I Play“ wirkt dann kaum noch befremdlich, den kurzen abschließenden Titelsong mag man gerade wegen seiner Kürze und Flüchtigkeit.

„On Your Own Love Again“ anzuhören, ist, wie sich einem verworrenen Tagtraum hinzugeben. Vieles von dem, was hier passiert, kann und soll man nicht rational analysieren, geschweige denn ernsthaft verstehen. Dieses Album soll man einfach auf sich einwirken lassen. Nur dann liefert Jessica Pratt in diesen 31 Minuten die Notbremse zu einer sich ständig beschleunigenden Welt.

Yves Weber

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