Rezension

Jaill

That's How We Burn


Highlights: The Stroller
Genre: Lo-Fi // Garage // Indie Rock
Sounds Like: The Soft Pack // Harlem // Wavves

VÖ: 13.08.2010

"Kracher, möchte man ausrufen, wenn man den ersten Song von "That's How We Burn" hört, so sehr zieht einen "The Stroller" in seinen Bann."

Nein, diese Besprechung zum neuen Album von Jaill aus Milwaukee stammt weder aus Visions, Intro oder Spex; ausgerechnet das Schmuddelheftchen Coupé adelt hier Jaill mit der prestigeträchtigen "Album des Monats"-Auszeichnung. Abgesehen davon, warum der Rezensent eigentlich über diese Informationen verfügt: Werden nun demnächst Heerscharen älterer Männer, welche offensichtlich noch nicht in die Wunderwelten des Internet eingeweiht sind, wie eine alttestamentarische Heuschreckenplage über Jaill-Konzerte herfallen?

Natürlich nicht. Trotzdem zeigt diese ironische Umkehrung typischer Hypevorgänge, dass die Band die eigentliche Parade längst verpasst hat und bloß zur Putzkolonne gehört. Dabei würde man zur eigenen Überraschung anfangs jedes einzelne Wort der Coupé-Rezension unterschreiben: "The Stroller" ist eine unerwartet düstere und beklemmende Hymne, welche gerade durch die transparente Produktion ihre ganze Wirkung entfaltet. Ein fantastischer Opener und ein Song, der Erwartungen an "That's How We Burn" schürt. Erwartungen, die dummerweise nie erfüllt werden.

Nicht, dass der Rest der Lieder auffällig schlecht wären. Jeder Song ist ordentlich komponiert und die Band zeigt sich aufeinander abgestimmt und eingespielt. Und genau hier liegt das Problem des gesamten Albums: Jaill sind zu jedem Zeitpunkt immer ein bisschen zu sauber, zu fehlerfrei und schlussendlich zu bemüht. Ein bisschen zu wenig Garage. Jeder einzelne Song ist gefällig und geht sofort ins Ohr, allerdings um dort gleich wieder zu verpuffen. Selbst nach dem zehnten Anhören unterhält das Album, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Dabei ziehen Jaill sämtliche Register: Neben den üblichen Midtempo-Songs liefern sie Balladen wie "Baby I" und Rocker wie "She's My Baby". "Snake Shakes" entfaltet sogar nach unzähligen Durchläufen zarte Ohrwurmqualitäten, bleibt aber trotzdem zu schablonenhaft, um wirklich zu begeistern.

Jaill sind das unglamouröseste im gesamten Musikbusiness: eine bodenständige Band. Eine, welche früher als "the hardest working band from Milwaukee" angepriesen worden wäre, als dies noch eine Auszeichnung war. Eine Band, die sich bewusst ist, dass ihr Plattenvertrag mit Sub Pop weniger Resultat eines Musenkusses als jahrelangen harten Tourens ist. Und genau hier liegt das Problem: Jaill sind zu viel Arbeit und zu wenig Wunderkind, zu viel Hommage und zu wenig Inspiration. Jaill sind einfach ein bisschen langweilig und schlussendlich genauso charakterlos und retortenhaft wie das künstliche Sperma, welches gleich im Artikel daneben angepriesen wird.

Yves Weber

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