Rezension
Jack & Amanda Palmer
You Got Me Singing
Highlights: You Got Me Singing // Again // Black Boys On Mopeds
Genre: Folk // Singer-Songwriter
Sounds Like: Johnny Cash & June Carter // Evelyn Evelyn
VÖ: 15.07.2016
Über zurückgehende Plattenverkäufe im Internetzeitalter zu jammern, gehört unter Musiker_innen gewissermaßen zum guten Ton. Nicht bei Amanda Palmer: In Formationen wie The Dresden Dolls und Evelyn Evelyn hat die US-Amerikanerin schon immer nach dem Maximum an künstlerischem Ausdruck zwischen Kabarett, Punk und Singer-Songwritertum gesucht und sich entsprechend schnell und effektiv auch mit den neuen digitalen Möglichkeiten arrangiert. Crowdfunding, Patreon und Co. machen es möglich, dass Künstler_innen immer persönlicher mit ihren Fans in Kontakt treten können, um immer direkter von ihnen finanziert zu werden. Dass Amanda Palmer das verstanden hat und zu nutzen weiß, lässt sich in Zahlen ausdrücken: 1,2 Millionen Dollar brachte eine Kickstarter-Kampagne zu ihrem Album „Theatre Is Evil“ 2012 ein.
Mit dem über Patreon finanzierten „You Got Me Singing“ veröffentlicht Palmer nun ein Herzensprojekt, das an gefühlter persönlicher Nähe zur Künstlerin kaum zu überbieten ist: Gemeinsam mit ihrem Vater Jack, den sie erst im Erwachsenenalter kennenlernte, hat sie ein Coveralbum gemeinsamer Lieblingssongs aufgenommen. Ihren exaltierten Performance-Stil hat sie dafür hinten angestellt: Der Titeltrack zu Beginn (im Original von Leonard Cohen) überlässt das Feld für den ersten Vers komplett Jack Palmers sonorem Bariton und seiner Akustikgitarre, bevor ihm die Tochter mit Samtstimme und Klavier Gesellschaft leistet.
Was sich im Opener schon andeutet, bestätigt sich in den weiteren Songs: „You Got Me Singing“ ist ein ruhiges und extrem reduziertes Album. Wiegenlieder wie das vollständig zweistimmig gesungene „Wynken, Blynken And Nod“ nehmen sich die Palmers hier genauso vor wie Folksongs über Motorräder („1952 Vincent Black Lightning“) und düstere Balladen wie das countryeske „Louise Was Not Half Bad“. Der stimmliche Kontrast zwischen Amandas Altstimme und Jacks am Kirchenchor geschulten Johnny-Cash-Timbre verleiht Songs wie „I Love You So Much“ dabei einen beinahe unangenehm intimen Charakter.
Trotzdem (oder gerade deswegen?) rührt „You Got Me Singing“ stellenweise zu Tränen: Etwa in „Again“, das Amanda mit größter Intensität performt, während ihr Vater sie auf der Gitarre begleitet. Wenn sie Sinéad O'Connors „Black Boys On Mopeds“ zur Ukulele covert und mit brüchiger Stimme Zeilen wie „England's not the mythical land of Madam George and roses/It's the home of police who kill black boys on mopeds“ hervorbringt, erhält der 26 Jahre alte Song dagegen eine gruselige Aktualität. Coveralben mögen oftmals als halbherzige Geldmacherei verschrien sein. Was Jack und Amanda Palmer hier abliefern, ist eher das Gegenteil: Ein Geschenk, das einzigartige Einblicke in eine sehr persönliche Beziehung bietet und dazu in seiner Schlichtheit wunderschön umgesetzt ist.
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