Rezension

Isolation Berlin

Und Aus Den Wolken Tropft Die Zeit


Highlights: Fahr Weg // Aufstehn, Rausgehn // Schlachtensee // Du Hast Mich Nie Geliebt
Genre: Chanson // Indie
Sounds Like: Element Of Crime // Rio Reiser

VÖ: 19.02.2016

“Believe the hype”! Ich nehme es einfach mal vorweg: Das Debüt von Isolation Berlin “Und Aus Den Wolken Tropft Die Zeit” ist ein grandioses Album, all die Vorschusslorbeeren und guten Kritiken sind absolut verdient. Und auch die Vergleiche mit Rio Reiser oder Element Of Crime passen nur allzu gut. Deutschlandfunk titelt sogar “Die Rettung des Deutschpop?” Aber der Reihe nach.

In den letzten Monaten war es schwer, an Isolation Berlin vorbei zu kommen. Von Spex bis zum Spiegel, spätestens seit ihrer EP “Körper” aus dem vergangenen Jahr, waren die Berliner in aller Munde. Als Teil der Renaissance des deutschen Post-Punk wurden sie über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und frenetisch gefeiert. Die eine oder andere Band würde sich dazu verleitet fühlen, ihre eh schon geliebten Songs in ein vermeintlich neues Gewand zu hüllen und mit ein, zwei neueren Stücken als Debütalbum zu verkaufen, der Weg des geringsten Widerstandes. Nicht so Isolation Berlin mit “Und Aus Den Wolken Tropft Die Zeit”, auf welchem sich nicht nur zwölf bisher unveröffentlichte Stücke befinden, sondern das schon jetzt eine Weiterentwicklung des Sounds erkennen lässt.

Auch wenn Post-Punk-Elemente durchaus erkennbar sind, geht diese Platte weitaus stärker in eine ruhigere Richtung, die hier und da sogar an den Chanson erinnert. Was sich aber wie ein roter Faden durch das Werk zieht, ist Melancholie. Das ist nicht weiter verwunderlich, sagt doch Sänger Tobias Bamborschke in einem Interview mit der Berliner Zeitung: “Jedes Lied auf dieser verdammten Welt ist doch traurig oder verhandelt Konflikte (...)”. Am offensichtlichsten wird dieser Hang zum Trübsal in “Du Hast Mich Nie Geliebt”, das es schafft, dem Thema “Trennung” ihren Kitsch zu nehmen. Melodie und Instrumentierung klingen wie aus Sven Regeners Feder, gepaart mit wunderschön direkten Zeilen über Liebe und Betrug, mit denen sich wahrscheinlich jeder identifizieren kann. Diese Gedanken werden mit “Der Garten Deiner Seele” weitergesponnen, welches den Umgang mit der Trennung beschreibt, unterlegt von einer Melodie, die beinahe an Peter Sarstedt erinnert.

Ein zweites Hauptmotiv des Albums ist allgemeine Hoffnungslosigkeit, gerne gepaart mit Großstadtleben und Alkohol. Bestes Beispiel ist hierfür wahrscheinlich “Aufstehn, Losfahrn”, das die Depression der Großstadt in gegensätzliche, tanzbare Klänge verpackt. Dabei stechen die simplen, aber voranpreschenden Drums, und die eingängige und leider in der heutigen Musik viel zu häufig vernachlässigte Orgel hervor. Dazu kommen Texte, die klingen, als hätte sie ein reinkarnierter Alfred Döblin verfasst: Und aus dem Zapfhahn quillt der Rausch // der alte Sorgen gegen neue tauscht.” – wunderbar.

Insgesamt ist es aber eigentlich unfair, einen bestimmten Song hervorzuheben. Die 47 Minuten sind beinahe durchgehend überragend, selbst das zu Beginn etwas unpassende “Wahn” ist nach einigen Hördurchgängen nicht mehr wegzudenken. Somit kann man wirklich nur sagen, dass Isolation Berlin wirklich so gut sind, wie so oft gesagt wird. Und sogar eine Rettung des Deutschpop ist, wenn es denn solcher bedarf, der Band zu zutrauen,

Lewis Wellbrock

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