Rezension

I Like Trains

He Who Saw The Deep


Highlights: A Father's Son // He Who Saw The Deep // Sea Of Regrets
Genre: Alternative // Postrock
Sounds Like: Arcade Fire // Interpol // Nick Cave & The Bad Seeds

VÖ: 29.10.2010

Endlich ist es da. Nach sechs Jahren Bandgeschichte werden nicht nur die Haldern-Pop-Festivalveteranen unter uns sehnsüchtig das erst zweite Album der Herren aus Leeds erwartet haben. Doch im Gegensatz zu dem dunklen Weltuntergangsszenario, welches das Cover des Vorgänger- und Debütalbums "Elegies To Lessons Learnt" schmückte, strahlt uns das schlichte, wellige weiß-schwarze "He Who Saw The Deep" nahezu an. Und das tut es zurecht: Es ist brilliant geworden.

Auf kaum vergleichbare Art und Weise, vielleicht wie Arcade Fire mit Paul Banks' Stimme und Nick Caves Texten, walzt die düstere Platte bis in abgelegenste Regionen vor sich hin. Sie bezeichnet durch verwebte, dichte Gitarrenlinien wunderschöne Melodien, welche, dezent und doch ins Ohr stechend, sowohl einzeln als auch zum großen Ganzen zusammengeführt großartig sind (siehe "When We Were Kings"). Als wäre das nicht schon traurig-schön genug, schwebt erhaben über allem im tiefen Bariton die väterliche Grabesstimme David Martins, der gefühlt das gesamte Leid der Welt in sich trägt: "He Who Saw The Deep". Dazu stampft im Hintergrund ein verträumt-konzentriertes Schlagzeug, ein dezent schönes Orchester bildet den Rahmen für etwas, was man nicht in einen Rahmen und nur schwierig in Worte fassen kann. Nur soviel: Zu tun haben wir es mit der Musik einer Band, welche laut eigener Aussage von Musikern wie Sigur Ros oder Godspeed You! Black Emperor massiv beeinflusst wurde.

Dank der Veröffentlichung des Albums auf dem eigenen Label "ILR" ("I Like Records") sind I Like Trains heute autonomer in ihren Entscheidungen, ein nicht unwichtiger Fakt bei einer Band, der auch für ihre Gesamtwirkung nicht unwichtig ist. So werden die Songs live mit stimmigen Videoprojektionen untermalt, und Musikvideos wie das nebelig-schöne zu "A Father's Son", welches einen einsamen Jungen am Meer in einem Fischerdorf zeigt, sind Kunstwerke für sich. Und eine Band, deren Sänger in ihrem Videokunstwerk, während ein einsamer Junge ein einsames Boot an einem nebligen Tag am Meer beobachtet, "Home Is Where The Heart Is" singt, hat ohnehin schon vieles gewonnen.

Im Vergleich zählt dieser Song noch zu den, wenn man so will, fröhlicheren der Platte, für die eher ein Titel wie "Hope Is Not Enough" bezeichnend ist. Denn I Like Trains machen immer noch sehr traurige Musik über Hoffnung und Liebe, doch sie blicken nun nicht mehr zurück, sondern in die Zukunft, wenn auch mit einer Brille, die jeden Tag zum Novembertag macht. Doch übt so etwas Düsteres und Nebliges wie eine Herbstnacht auch Faszination aus, und so nehmen die Engländer uns mit auf eine traumatische, erfahrungsvolle, schöne Reise – vom ersten bis zum letzten Song.

Es sind immer die traurigen Songs, zu denen wir die tiefste, persönlichste Liebe empfinden. Und genau deswegen ist "He Who Saw The Deep" eine Platte, die bestehen bleibt. Bestehen bleibt als Freund für Tage, an denen sonst vermeintlich nichts mehr besteht, Tage, an denen man sich einsam fühlt.

Daniel Waldhuber

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