Rezension
Hjaltalín
Enter 4
Highlights: Lucifer/He Felt Like A Woman // Crack in the stone // Myself // We
Genre: Orchestraler Elektro-Folk
Sounds Like: Benni Hemm Hemm // Canon Blue // Útidúr
VÖ: 23.08.2013
Zuletzt schrieb jemand in einem Artikel über Retro Stefson, dass, wenn Musik aus Island populärer wäre und sich mehr Menschen auf diese schönen Klänge einließen, dies im weitesten Sinn zum Weltfrieden beisteuern könnte, da dann alle gelassener und glücklicher wären. Gleiches kann man ebenso für Hjaltalín behaupten. Die Isländer legen mit "Enter 4" ihr drittes Album vor und damit ein wunderbares Stück Musik, das zumindest den Hörern helfen sollte, ein wenig friedlicher zu werden. Mit sich selbst und auch mit der Welt.
Eben darüber singen Hjaltalín auch gleich im ersten Song. Über die Liebe zu sich selbst, über das Anerkennen der eigenen Person und daraus resultierend das Geliebtwerden durch andere. "I found love in myself // So someone could love me back // But I don´t see // That anybody is loving me // Like me" singt Sängerin Sigríður Thorlacius. Im Song "Lucifer/He Felt Like A Woman" singen sie und Sänger Högni Egilsson im Duett, mal im Wechsel, mal gemeinsam. Man spürt geradezu, dass zwischen den Beiden eine ganz besondere Harmonie herrscht. Ebenso harmonisch scheint es in der ganzen Band zuzugehen: eine Horde liebevoller Menschen, die gemeinsam Musik machen. Musik, die Wärme, Harmonie und Intimität ausstrahlt, die Geborgenheit schenkt, mal fröhlich stimmt oder auch zum Weinen einlädt. So zum Beispiel in "Forever Someone Else". Thorlacius singt mit ihrer zarten Stimme wieder einmal vom Wunsch, geliebt zu werden, ebenso zart setzen dazu Streicher ein, während im Hintergrund die Drums mit elektronischen Beats verschmelzen.
Dass die Band nicht nur zusammen Musik macht, sondern dass die Musiker auch Freunde sind, kommt nicht zuletzt daher, dass die Aufnahmesessions des Albums sie unglaublich zusammen geschweißt haben. Sänger und Frontmann Högni Egilsson litt unter einer schweren psychischen Erkrankung, sodass die Aufnahmen immer wieder durch Klinikaufenthalte Egilssons unterbrochen wurden. Die Zeit, in der Hjaltalín es allerdings schafften gemeinsam an ihrer Musik zu arbeiten, war sehr intensiv. In einem ständigen Ausloten zwischen Kunst und Wahnsinn erarbeitete die Band gemeinsam mit Egilsson dessen Krankheitsphasen. Auch der Albumtitel "Enter 4" bezieht sich auf Egilsson, der beschreibt, dass er in seinen manischen Phasen in einer Art vierten Dimension zu sein schien, in der er sich religiösen und mystischen Symbolen näher zu sein fühlte und auch ein anderes Empfinden für die Numerologie entwickelte. Wie dieser Zustand sich angefühlt haben mag, das hat Sigríður Oddsson im Arrangement ihres Cover-Fotos versucht darzustellen.
Hjaltalín haben sich seit ihren Anfängen 2004 stetig und fließend verändert, haben sich als Gruppe weiter entwickelt, auch einige Mitgliederwechsel durchgemacht. Den größten Teil zur musikalischen Veränderung hat jedoch sicherlich die Verarbeitung von Egilssons lange andauernder Krankheit beigetragen. Nach wie vor spielen Hjaltalín gerne ihre klassischen Instrumente – oder lassen sie spielen. Gleich siebzehn zusätzliche Musiker listen sie auf ihrem Album, die neben den sieben Bandmitgliedern ebenfalls zum wunderbaren Sound beigetragen haben. Cello, Trompete, Flöte, Posaune, Violine, Klavier und einige andere Orchesterinstrumente sind auf "Enter 4" zu hören, vermehrt aber ebenso elektronische Elemente, die geradezu in Richtung Broken Beats gehen.
Aber ganz gleich, ob die Klänge durch klassische Instrumente oder moderne Synthesizer erzeugt wurden, die Emotionen auf "Enter 4" sind tief und echt und haben im ersten Schritt den Musikern dazu verholfen, friedlicher mit sich selbst zu sein. Nun sind wir als Hörer an der Reihe.
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