Rezension

Happy Birthday

Happy Birthday


Highlights: Too Shy // Perverted Girl // Subliminal Message
Genre: Garage Pop // Lo-Fi // Glam Rock
Sounds Like: King Tuff // The Flamin' Groovies // Smith Westerns

VÖ: 19.03.2010

Natürlich sollte jeder ernste Musikjournalismus eine möglichst hohe Objektivität anpeilen. Doch kann man etwas, das man wirklich liebt, wertneutral und distanziert behandeln? Ich (!) behaupte: Nein! Und deshalb werden diese paar euphorisierten Zeilen ein einziges Abfeiern der wohl verschrobensten, wunderschönsten und unterbewertetesten Platte des Jahres. Kein Bock auf diese Spielregeln? Klick weg. Du wirst Happy Birthday eh nicht verstehen.

Happy Birthday kommen aus dem Provinznest Brattleboro, Vermont! Kyle Thomas hatte mal zusammen mit J Mascis (!) die Stoner-Metal-Band Witch!! Und die Drummerin ist sogar die Schwester der tUne-yArDs-Sängerin!!! Total beeindruckend. Und total unwichtig. Happy Birthday liefern mit ihrem unbetitelten Debut gleich den doppelten Beweis dafür, dass wahre Schönheit eben doch von innen kommt und dass die naive Vorstellung der großen Liebe auf den ersten Blick ein jahrtausendalter Irrtum ist.

Nein, viel zu zerfahren, unschlüssig und nervös wirkt das Album beim ersten Durchlauf. Ungeduldige werden nun kopfschüttelnd den Datenmüll von der Festplatte kloppen. Sie haben es nicht anders verdient. Feinhörige Menschen merken allerdings bald, dass vermeintliche Sinnlosigkeiten sich schnell als Verschnörkelungen, Improvisationen und liebevolle Schrulligkeiten entpuppen: Ein Prog-Wolf im Garage-Rock-Schafspelz und ein Album, das vor Einfallsreichtum jederzeit zu zerbrechen droht und dann doch immer wieder in letzter Sekunde die Kurve kriegt.

Am schönsten sind Happy Birthday dann, wenn Kyle Thomas wie in „Too Shy“ den verpickelten Stubenhocker mimt und eine unerreichbare Geliebte erfolglos anschmachtet. Gerne würde man ihm dann kumpelhaft auf den Rücken klopfen und ein paar tröstende Worte zuflüstern. So Twee sind nicht mal Belle and Sebastian. Doch dieses süße Monsterchen kann mitunter garstig kreischen. „Zit“ ist ein widerborstiger Garage-Stampfer, der nerven will und seine Ambition auch mit Bravour erfüllt. Und dann gibt es Lieder wie „Perverted Girl“, die sich nicht entscheiden können, ob sie nun handzahm oder wild fauchend sein wollen, und deshalb einfach beides verquirlen. Soviele Überraschungen bietet nicht mal eine Folge GZSZ.

Das alles macht dieses Debut bereits zu einer herausragenden Platte. Und trotzdem trifft die schiere emotionale Wucht von „Subliminal Message“ einen dann wie aus heiterem Himmel. Ein sehnsuchtvoller, schüchterner und zeitloser Glam-Rocker: Der Song des Jahres, ohne dass es überhaupt jemandem aufgefallen wäre. Ein Lied, mit dem du das versteinerte Herz deiner Ex-Freundin wieder erweichst. Dein Terrier wurde angefahren? Dein letztes Schultenbräu ist lauwarm? Happy Birthday einlegen. Und es wird alles, alles gut.

Yves Weber

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