Rezension

Genetikk

Achter Tag


Highlights: Dago // 22MMM // Jungs ausm Barrio
Genre: Deutsch-Rap
Sounds Like: Haftbefehl // Kollegah // Celo & Abdi

VÖ: 08.05.2015

Genetikk (im engeren Sinne Produzent Sikk und Rapper Karuzo) sind aus kommerzieller Sicht betrachtet ein Phänomen, wie fast alles, das aus dem Hause Selfmade Records kommt. Schon von ihrem letzten Album „D.N.A.“ konnten die Saarbrücker über 80.000 Exemplare verkaufen und mit ihrem neuen Album „Achter Tag“ sind sie gleich in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Platz 1 eingestiegen. Es sieht also alles danach aus, als könnten sie an den Erfolg anschließen. Das liegt vor allem daran, dass sie auch soundtechnisch an den Vorgänger anknüpfen und der HipHop-Community genau das geben, was sie von Genetikk erwartet haben.

Da ist der epische Anfang mit einer verzerrten Erzählerstimme, bevor Sikk, der offensichtlich wieder bis zur Perfektion an den Drums geschraubt hat, die erste Kick und die erste Snare zielgenau kommen lässt. Dazu kommt Karuzo, der sowieso mit einer angenehm rauen Rap-Stimme gesegnet ist, auf gewohnt lässige Art rein und findet die Waage irgendwo zwischen HipHop-Referenzen, leicht politischer Message, Gerechtigkeitssinn und ein bisschen Selbstbeweihräucherung. Das ist soweit nicht neu im Rap-Business, aber was Genetikk verstanden haben, ist: Wer langfristig relevant sein will, muss den Nerv der Zeit treffen und etwas vermitteln, das über Rap-Musik hinausgeht. Bei Genetikk geht es viel um die Ästhetik und das Verwenden von kryptischen Wörtern. In den guten Fällen funktioniert das ganz gut, wie beispielsweise auf „Caput Mundis“, wo es heißt „Greife nach der Krone, steig auf den Thron // Wer ist dein Mentor? Ich bin Apollons Sohn“ und ein, für Deutsch-Rap-Verhältnisse, ewiges Outro sich die Zeit nimmt, die Mystik zu verdeutlichen.

An anderer Stelle wird dieser Pathos aber so maßlos übertrieben, dass es einen fast anwidern kann. Das gilt beispielsweise für die Single „Wünsch Dir Was“, die mit einem Sample der Toten Hosen in Kinderchor-Form über die Stränge schlägt. Zum Glück bleiben diese Momente die Ausnahme und werden von Songs wie „22MMM“, der zeigt, wie gut eine Backup-Sängerin auch in düsterer Rap-Musik funktionieren kann, locker aufgefangen. Gegen Ende sammeln sich dann noch ein paar Gastparts an, von denen Sido nervt, weil sein Part so offensichtlich kommerziell ausgerichtet ist, Max Herre daran erinnert, dass er nie ein schlechter Rapper war, auch wenn das mittlerweile viele denken und Ssio mit seiner Arroganz den denkwürdigsten Part abliefert.

Ein Fazit ist also schnell gefunden: Die Beats von Sikk gehen immer noch gut rein, haben aber zumindest ein bisschen an Überraschungsmoment eingebüßt. Karuzo ist immer noch ein guter Rapper, dessen Flow sich locker seinen Weg durch jeden Beat bahnt. Als Genetikk haben sie verstanden, dass sie den Sound um lyrische und optische Ästhetik erweitern müssen, wenn sie die Fans bei der Stange halten wollen und das haben sie geschafft. Aber: Die Spannung ist ein Stück weit raus. „Achter Tag“ ist ein gutes Rap-Album, bleibt aber ohne jegliche Überraschung. Nicht schlimm, aber insgesamt schade drum.

Arne Lehrke

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"Achter Tag / Dago" im Video
"Wünsch dir was" im Video
"Caput Mundis" im Video

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