Rezension

Eagulls

Eagulls


Highlights: Nerve Endings // Tough Luck // Possessed // Fester/Blister
Genre: 80s Punk // Hardcore // Garage Punk
Sounds Like: Wipers // Metz // Joy Division

VÖ: 07.03.2014

Sie sind der angenehme Hype dieses Frühlings. Kein AAA-Label, keine tonnenschwere Marketingkampagne, kein süßlicher Indie Folk. Die vier grantig dreinschauenden Herren aus Leeds sind der herrlich miesepetrige Gegenentwurf zu musizierenden Sonnenanbetern, die sonst zu dieser Jahreszeit von Musikmagazinen herunter grinsen, um Winterdepressionen auszukurieren. Der NME hyperventiliert, natürlich. Und macht in seinem Endorphinrausch ausgerechnet “Nerve Endings”, welches mit einem verrottenden Schweinehirn gleich mal sämtliche PETA-Aktivisten auf die Barrikaden treiben sollte, zum Video des Jahres. Nachdem die rabiaten Krawallbrüder sogar vom großen David Letterman höchstpersönlich zum Ständchen in seine Late Night Show geladen wurden, weiß selbst Average Joe: Da ist irgendwas im Busch. Mit ihrem Debüt steigen die Eagulls nun ganz offiziell in den Ring - und spielen glücklicherweise weiterhin wüsten Punk.

Sicher, irgendwie haben sie sich weiterentwickelt. Weg von der groben Partywalze wie die frühen Archers of Loaf und hin zu einem vielschichtigeren Klang. Also mehr Gitarrenpedals, mehr Chorus, mehr Reverb. Also mehr Achtziger. Emotionale Reife und so. Das klingt nun alarmierender, als es dann tatsächlich ist. Das Debüt ist in keinster Weise Zugeständnis an einen verwässerten Massengeschmack, da Sänger George Mitchell glücklicherweise weiterhin atonal über der Instrumentierung wütet und jault. Natürlich: England ist da immer irgendwie on my mind. Joy Divison, Wire, Public Image Ltd., Manchester, verregnete Sonntagnachmittage, Runterkommen von schlechtem Speed, Paranoia. Die Assoziationskette ist lang und mag vertraut erscheinen. Doch die Eagulls schaffen es, diese durchaus abgeschmackten Elemente spannend zu verbinden, indem sie typisch britische Melodieführungen mit der Intensität des düsteren US-Hardcore-Punk der Achtziger kreuzen. Dazu passt dann auch das amerikanische Plattenlabel: Das ganze Album als transatlantische Kollaboration.

Natürlich könnte man diesem Debüt nun ankreiden, dass die wirklich großen Hits wie “Nerve Endings” oder “Tough Luck” schon als Vorabsingles veröffentlicht wurden, “Possessed” hat sogar schon über zwei Jahre auf dem Buckel. Wie verschwindend gering ist allerdings der Anteil derer, die diese Songs bereits vorher kannten? Solche Welthits dürfen keinem Publikum vorenthalten werden. Auch prügelt die Platte ordentlich, kann jedoch gerade deshalb für nicht genreaffine Ohren etwas zu gleichförmig klingen. Doch erwartet irgendjemand ernsthaft eine Ballade auf solch einem Hobel? Natürlich nicht. Die Intensität muss eben gehalten werden und Zartbesaitete haben das Inferno immerhin nach einer dicken halben Stunde überstanden. So geht nun mal Punkrock. Das Debüt der Eagulls? Ein technisches Knockout.

Yves Weber

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