Rezension
Dirty Beaches
Badlands
Highlights: Sweet 17 // A Hundred Highways // Lord Knows Best
Genre: Lo-Fi // Rockabilly // Crooner
Sounds Like: Suicide // Elvis Presley // Roy Orbison
VÖ: 29.03.2011
Das Blau plättete die Wüste wie eine Teigrolle. Gähnende Leere und flimmernde Hügel, lächerlich untersetzt in meilenweiter Ferne. So braun wie ihre Haut. Und diese hauchte ihn verzweifelt an: „Vergiss mich nicht.“ Hastig schnippte er den angerauchten Filter in den glühenden Sand, drückte ihr den wirklich allerletzten Kuss auf die roten Lippen und knallte entschlossen die Tür. Ein beherzter Fußdruck hüllte sie in Staub. Der V8-Motor heulte auf. Noch vor Sonnenaufgang würde er in ein neues Leben fallen. Ganz alleine. Würde er sie vermissen?
Nein, dies ist weder biographische Wirklichkeit noch ein Musikvideo zu „Badlands“. Dies will man beim Anhören glauben, doch eigentlich ist die Wahrheit eine ganz andere. Dirty Beaches ist Alex Zhang Hungtai. Und Alex Zhang Hungtai stammt weder aus Nevada noch überhaupt aus den Vereinigten Staaten. Zhang Hungtai lebt in Vancover und ist gebürtiger Taiwanese. Seine Musik hingegen ist so amerikanisch wie Fender und Ford.
Nach diversen Singles und Kassetten erscheint mit „Badlands“ nun das Debut seines neuesten Projekts Dirty Beaches. Es ist das erste, mit dem er größere Erfolge feiert. Der Legende nach kam Zhang Hungtai zu seiner Neuerfindung, als er alte Fotos seines Vaters mit Pompadour-Haarschnitt entdeckte. Eine Zeitreise zurück in eine überzeichnete Film-Noir-Version der Fünfziger, zu protzigen Karren, wilden Buben und schmachtenden Damen.
Musikalisch lässt sich „Badlands“ nur schwer umschreiben. Als Fixpunkt kann Alan Vegas und Martin Revs Projekt Suicide gelten, allerdings abwechselnd vom King höchstpersönlich („Sweet 17“) und einem mondsüchtigen Roy Orbison („True Blue“) vorgetragen, gejault und gefleht. Ähnlich wie sein großes Vorbild und filmisches Pendant Wong Kar-Wai erstellt Zhang Hungtai hier ein Sammelsurium amerikanischer Klischees, wahrgenommen mit den Augen eines Außenstehenden. Die Referenzen werden hier über so viele Umwege reappropriiert, dass das Resultat wieder ein vollkommen eigenständiges ist. „Speedway King“ und „Horses“ sind sowohl textlich als auch in ihrer mechanischen Wiederholung Homage an Bruce Springsteens „State Trooper“, welches selbst wiederum auf Suicides „Frankie Teardrop“ referiert. Das schönste Lied des Albums, „Lord Knows Best“, samplet Françoise Hardys „Voilà“ und jagt den Song anschließend durch die Geisterbahn.
Das einzig wirklich Enttäuschende an „Badlands“ ist, dass das Album mit knapp 27 Minuten zu kurz ausfällt. Rechnet man die Instrumentalsongs „Black Nylon“ und „Hotel“, welche sich nie vom Stigma des Lückenfüllers lösen können, ab, bleiben gerade mal sechs magere Lieder übrig. Zu wenig, um völlig zu sättigen. Glücklicherweise ist bereits ein Nachfolger angekündigt und bis dahin taucht man einfach immer wieder in die zwielichtige Kleinganovenwelt dieser Lehrstunde in amerikanischer Popkultur ein.
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