Rezension

Dave Harrington Group

Become Alive


Highlights: White Heat // The Prophet // Become Alive
Genre: Experimental // Jazz // Krautrock
Sounds Like: Darkside // Pink Floyd // King Crimson

VÖ: 15.04.2016

Zusammen mit Nicolas Jaar veröffentlichte der bis dato recht unbekannte Musiker Dave Harrington vor 2013 das Debütalbum „Psychic“ als Darkside. Eine EP und drei Jahre später erscheint nun das Soloalbum des Dreißigjährigen, welches klingt, als wäre es bereits älter als Harrington selbst. Passenderweise erscheint „Become Alive“ auch nur auf zwei Medien: Digital und als LP. Die Zeit dazwischen wird ausgeblendet und genau diesen Weg geht das Album auch.

Das Intro zum sehr gemächlichen „White Heat“ erinnert dann gleich auch mal an die ausladenden Darkside. Einen wohlig-warmen Klangteppich entfaltet Harrington samt seiner Mitstreiter. Nach drei Minuten stimmenähnliche Geräusche, die sich allerdings schnell als Trugschluss heraus stellen. „Become Alive“ fokussiert sich komplett auf die Wirkung von Instrumenten und verzichtet dabei auf wahrnehmbaren Gesang. „Slides“ ist schon deutlich verwandelter als „White Heat“. Ein tiefes Saxophon hat sich zwischen Field Recordings verirrt und spielt ein vertracktes Solo, ehe verzerrte Rückkopplungseffekte den Ton angeben. Wie auch schon Darkside bewegt sich „Become Alive“ zwischen diversen Stilen. Im einfachsten Sinne zwischen elektronischer und analoger Musik, in weitgehender Differenzierung spielen hier zig verschiedene Genres zusammen.

Stück für Stück nimmt Harrington den Hörer tiefer mit in abstrus-konfuse Soundlandschaften. War der Beginn noch ein rhythmischer Wohlklang, driftet spätestens der dritte Titel, „The Prophet“, in die Experimentalphasen der frühen Einstürzenden Neubauten ab. Was dem Stück zum „Halben Mensch“ fehlt, ist lediglich das bargeldsche Keifen. Wiedergutmachung betreibt „Steels“. Als hätte jemand nach Pink Floyd gerufen, sind es in diesem Zwischenstück die Keyboardflächen, die den Spannungsbogen betreiben sollen. Dies gelingt gerade so, bis der knapp zehnminütige Titeltrack einsetzt. Dieser verbindet die einzelnen Elemente und fügt neue hinzu. Das Saxophon aus „Slides“ spielt dieses Mal in die Höhen statt in die Tiefen und bekommt ein Krautrockumfeld, das beliebig durcheinander wirkt, sich aber nach einiger Zeit zu einem großen Finale auftürmt. Wie ineinander verknotet wirken hier unzählbar viele Instrumente und Soundspuren gleichzeitig. Eine Freude für jeden Fan diffuser Strukturen, ein Graus für jemanden mit stringenten Hörgewohnheiten. Mittlerweile ist „Become Alive“ sehr weit weg von dem, was Harrington zusammen mit Jaar bekannt werden ließ.

Mut zum Chaos beweist er mit dieser – im wahrsten Sinne des Wortes – Platte. Ein interessantes Konzept, das, wenn es beim Hörer aufgeht, eher die Sehnsucht nach „mehr“ weckt als die, doch etwas reduzierter zu Werke zu gehen. Sicherlich auch eines, welches verkopft daherkommt und viele vor ebenjenen stoßen wird, so sie es denn hören. Bei diesen dürfte lediglich „All I Can Do“ zünden. Ein Song für die, die Pink Floyd gut finden, aber danach nicht weiter hören wollen, weil es zu komplex werden könnte.

Klaus Porst

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"Become Alive"

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