Rezension

Clark

Turning Dragon


Highlights: Volcan Veins // For Wolves Crew // Penultimate Person
Genre: Elektro // Techno // Dancefloor
Sounds Like: Aphex Twin // Radiohead // Justice // Hexstatic // Modeselektor // Four Tet

VÖ: 01.02.2008

Mal angenommen, Thom, Jonny, Colin, Edward und Philip wären mit dem gigantischen Erfolg ihres dritten Albums "OK Computer" nicht klargekommen: Anstatt sich für einige Zeit ins Privatleben zurückzuziehen und drei Jahre später das nächste Meisterwerk "Kid A" auf den Markt zu bringen, hätten die fünf Oxforder jeden Club Englands zertrümmert und alle erdenklichen Drogen ausprobiert. Wäre es so gekommen und wäre in dieser Zeit auch noch ein Album entstanden, klänge es exakt wie Clarks "Turning Dragon".

Ohne Chris Clark irgendwelchen Kontakt zu Rauschmitteln unterstellen zu wollen, so ganz clean klingt die Musik wirklich nicht. Gut so. Gut auch, dass Warp in Zeiten der Überindiesierung ihres Labels (Maximo Park, Gravenhurst, Grizzly Bear) direkt zu Beginn des neuen Jahres einen der heißesten Anwärter auf das Elektroalbum des Jahres in die Läden bringt. Das wird den Fan der ersten Stunde freuen.

Oftmals schon als Aphex-Twin-Thronfolger gehandelt, zeigt Clark, wie enthusiastisch Techno 2008 zu klingen hat. Nur ganz selten verlangsamt sich die Musik von gefühlten 250 km/h auf Landstraßenniveau. Da fährt wiederum jeder zweite auch noch dreistellig. Die Beats sind härter, brutaler, straighter und dabei eingängiger als alles andere, was Chris Clark bisher auf CD gepresst hat. Ein besonderes Schmankerl stellt der zweite Track "Volcan Veins" dar: Intelligent eingesetzte Stimmensamples verleihen dem ohnehin schon dynamischen Stück den letzten Feinschliff. Das Resultat: Der ultimative Clubhit. Die Folge: Popularität?

Dies ist zu bezweifeln - einen großen Medienhype gab es nämlich (völlig zu unrecht) noch nicht. Hierzulande sollte dem gebürtigen Briten jedoch seine Wahlheimat Berlin zu Gute kommen. Und wo wir schon bei unserer beliebten Hauptstadt sind, etwas Lob: Berlin ist schwer angesagt, vor allem wenn es um elektronische Musik geht. Letztes Jahr lieferten bereits Acts wie Modeselektor und Apparat Alben ab, die international Anklang fanden. Es ist kein Zufall, dass es immer mehr Musikgrößen in die Metropole zieht. Erfreulich. Aber zurück zum eigentlichen Thema...

Gegen den "New Year Storm" war der Orkan Kyrill eine frische Brise, "Ache Of The North" ist die Art von Musik, die Außerirdische potentiell hören würden und in "For Wolves Crew" bekommt man mindestens doppelt so viele Sensationen geboten wie an einem ganzen Tag Disneyland. Mit seinen sieben Minuten ist er auch der längste Track, was auch mal erwähnt werden sollte. Es kommt schließlich nicht selten vor, dass die 80 Minuten einer CD dieses Genres voll ausgenutzt werden. In dieser Hinsicht - aber wirklich nur in dieser Hinsicht - hat "Turnig Dragon" etwas Poppiges an sich: 11 Lieder in 47 Minuten dürften niemanden schocken. Ganz im Gegensatz zur Wall of sound, mit der "Mercy Sines" den Hörer begrüßt.

Das Spektakel endet mit dem großartigen "Penultimate Person", das selbst auf "Kid A" niemanden gestört hätte. Wenn das mal kein Lob ist... (Chris) Clark kann sich also getrost auf die Vorteile des Königs von Warp einstellen. Richard David James alias Aphex Twin muss sich in den nächsten Monaten also von seinem geliebten Wagen (3:50 Minute) trennen. Sicher schmerzhaft. Hoffentlich fängt er daraufhin nicht an, weltweit Clubs zu verwüsten und alle erdenklichen Drogen zu nehmen. Was da für ein Album bei rauskäme, will ich nämlich gar nicht wissen.

Paul Weinreich

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