Rezension
Bodega
Endless Scroll
Highlights: How Did This Happen?! // Can’t Knock The Hustle // Jack in Titanic // Truth Is Not Punishment
Genre: New Wave // Punk Rock // Indie Rock
Sounds Like: Parquet Courts // The B-52s // Wire
VÖ: 06.07.2018
Selten liefert ein Bandname so präzise geografische Koordinaten. Bodega? Das New Yorker Wort für das Tante-Emma-Lädchen, den Späti oder das Büdchen. Dieser sagenumwobene Pannendienst rund ums Eck, der einem zu den unwirtlichsten Zeiten noch mit Bier, Klopapier und Ravioli aushilft und bei dem man sich doch immer fragt, wie über drei Kreuzungen gleich doppelt so viele davon überleben können, ist genauso New York wie von Fett triefende Tortenpizzas und blaffende Taxifahrer. Und sofort rattert die Assoziationskette des Musiknerds los.
Bodega stellen sich bewusst in die New Yorker Tradition, sind Punk im eigentlichen und ablehnenden Sinn, greifen mit dem weiblichen Gesang von Nikki Belfiglio Elemente der B-52s auf, doch verschließen sich gleichzeitig nicht vor hektischem britischen Post-Punk wie Gang Of Four oder Wire. Größter herangezogener Vergleich werden allerdings immer die Allesfresser von Parquet Courts bleiben, die ähnlich wie Bodega ein vielschichtiges und doch immer leicht trübes Porträt ihrer Wahlheimatstadt zeichnen. Auch die Tatsache, dass das Album von Austin Brown von Parquet Courts aufgenommen und wie deren Debüt „Light Up Gold“ auf dem Label „What’s Your Rupture“ veröffentlicht wurde, spielt dem in die Hände.
Bodega zeichnen dabei ähnlich wie Parquet Courts ein Bild des großstädtischen Lebens im einundzwanzigsten Jahrhundert, sind dabei allerdings immer viel kritischer als ihre Vorbilder. Das liegt an kurzen sarkastischen Skits vor vielen Songs und an Liedtexten, die offen fortschrittskritisch formuliert sind. Bodega sind schon Grantler und Schwarzmaler, die allerdings immer über die notwendigen Songschreiberqualitäten verfügen, um ihrem Gemecker Gewicht zu verleihen. Dass Bodega allerdings nicht bloß eine fingerzeigende, mahnende Besserwissertruppe sind, zeigt der ab nun wohl einzig wirklich relevante Titanic referierende Song „Jack In Titanic“. Auch das Musikvideo zu „How Could This Happen?!“, welches in Virtual Reality angesehen werden kann und zynisch einen „typischen Konzertabend“ mit Bodega zeigt, bei dem die eine Hälfte uninteressiert aufs Handy starrt, während die anderen Biere leeren und hoffen, dass der akustische Spuk endlich ist, verdeutlicht, dass die Band selbstironisch agiert und sich keineswegs über ihre Kritik erhebt.
„Endless Scroll“ ist kein Meisterwerk für die Ewigkeiten. Wer allerdings guten, mitunter stichelnden New Wave oder zackigen Punk-Rock mag und das letzte Parquet-Courts-Album viel zu sexy und tänzelnd fand: Anhören!
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