Rezension

Blumentopf

Wir


Highlights: Nerds
Genre: Hip Hop
Sounds Like: Nico Suave // Dendemann // Fettes Brot // Massive Töne

VÖ: 04.06.2010

Manch einer mag sich noch erinnern an die Zeit, in der die Hosen weit, die Shirts noch weiter waren und Baseball-Caps nur verkehrt herum getragen wurden. Die 90er klangen da gerade aus, als deutscher Hip Hop seinen Höhepunkt erreichte und eine ganze Jugendbewegung nichts anderes hörte außer Absolute Beginner, Eins Zwo, Fünf Sterne Deluxe und Blumentopf. Von diesen alten Helden ist heute kaum noch wer übrig und die Jugend jubelt lieber deutschen Rappern zu, die mit Bernd Eichinger befreundet sind und Samples von französischen Gothic-Bands klauen.

Blumentopf gibt es aber tatsächlich immer noch. Die Münchner wurden früher häufiger mal als „Studenten“-Hip-Hop abgetan, dabei waren sie einfach die Group mit dem besten Wortwitz. Der ging aber schon auf dem letzten Album „Musikmaschine“ ziemlich verloren und spätestens nach ihrem unnötigen musikalischen Beitrag zur Fußball-WM 2006 konnte man sich zurecht fragen, ob Blumentopf einfach den Absprung nicht geschafft hatten und nun geradezu verzweifelt versuchen, längst vergangene Zeiten wiederzubeleben.

Vier Jahre danach muss man leider sagen, dass dem Topf das letzte bisschen Wasser ausgegangen und das zarte Pflänzchen namens deutscher Hip Hop kümmerlich vertrocknet ist. „Wir“ ist nicht einmal ein Schatten früherer Glanztaten, sondern die komplette Kapitulation vor dem Zahn der Zeit, der schon eine ganze Reihe anderer Reimkünstler ins musikalische Grab gebracht hat.

Ein Album mit dermaßen viel stumpfen Beats muss man aber auch erst mal abliefern. Dazu noch die ums Verrecken auf Club- und Livetauglichkeit ausgerichteten Gitarrensamples, die einem wirklich mittlerweile zu den Ohren rauskommen... Es ist ein einziges Trauerspiel. Warum DJ Sepalot bei diesem Mist überhaupt noch mitmacht, bleibt sein Geheimnis. Die ganze Hoffnung könnte man in die Reimfähigkeiten der MCs legen, aber auch dort versagen Holunder, Schu und Co. auf ganzer Linie. Es wird größtenteils zusammen stupide rumgegröhlt und Textzeilen wie „1,2,3,4, sind zurück hier im Revier“ sind keine Seltenheit.
Mit „Nerds“ gibt es auf dem gesamten Album eine einzige wirklich gelungene Nummer, auf der alles stimmt. Ein letztes Aufbegehren, bevor Blumentopf das letzte Leben aus sich und dem deutschen Hip Hop aushauchen. R.I.P.

Benjamin Köhler

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