Rezension

Bauhaus

Go Away White


Highlights: Too Much 21st Century // Mirror Remains // The Dog's A Vapor
Genre: Gothic
Sounds Like: Joy Division // Fields Of The Nephilim // Sisters of Mercy

VÖ: 07.03.2008

Punk war noch nicht einmal 5 Jahre alt, geschweige denn, überhaupt schon in Deutschland angekommen, da war er eigentlich auch schon wieder tot. Zumindest verkündete dies der Post-Punk. 1978 war das ungefähr. Ich selbst war damals noch nicht einmal im DDR-hauseigenen Fünfjahresplan meiner Eltern vorgesehen, kann mich daher bei Erlebnissen aus dieser Zeit nur auf Dinge verlassen, die nachlesbar sind oder von anderen erzählt wurden. Von Post-Punk bis Gothic reichen die Bezeichnungen für das, was Bauhaus von 1978 bis 1983 herausbrachten, nun, 2008, folgt ein Abschiedsalbum. Was mich also vor das Problem stellt: Was macht man mit einem Album, das 25 Jahre zu spät erscheint, dessen Kontext ich selbst nie miterlebt habe? Nach heutigen Maßstäben bewerten? An den bisherigen Veröffentlichungen messen? Meinen Eltern geben? Gut, letzteres fällt schon einmal heraus, meine Eltern gehören eher zur Abba-BeeGees-Sparte.

Zuerst sollte schließlich die Musik stehen, und davon gibt es auf „Go Away White“ zehn verschiedene Varianten. „Too Much 21st Century“ ist eine davon. Groovende Gitarren- und Bass-Linien, dazu Peter Murphys markante Stimme. Too Much 20th Century könnten böse Stimmen hier sagen, aber wir sind ja erst am Anfang und der Song ist wirklich nicht schlecht. Typisch Bauhaus eben. Dass Bauhaus auch aktuelle Musik hören, beweist „Adrenalin“. Die Melodie von „Supermassive Black Hole“ von Muse ist deutlich heraus zu hören, dazu leiert eine zweite Gitarre und klimpert ab und an ein Klavier. Das Lied „International Bullet Proof Talent“ hingegen ist ein gutes Beispiel dafür, dass Bauhaus „jetzt“ mehr nach rauem Punk, weniger nach Gothic klingen möchten.

Sphärische Flächensounds, akustische Nebelschwaden etc. wie bei den Fields Of The Nephilim oder Sisters Of Mercy findet man eher selten, das Ganze klingt mehr nach rauem Garagenpunk – bei halber BPM-Zahl, versteht sich. Jener Sound mag zum Teil auch daher kommen, dass für das Album komplett jeweils das erste Take eines Songs bei der Aufnahme verwendet wurde. Dieses Experiment ist gewagt, geht oftmals gut, aber mindestens bei der Hälfte der Stücke geht das leider auch schief. Wenn sich eine Band vornimmt, nach 25 Jahren erstmals neue Stücke aufzunehmen, wäre ein bisschen zusammen Proben nicht schlecht. Ob Bauhaus das getan haben oder nicht, weiß ich nicht, jedoch passt in meinen Ohren Peter Murphys Stimme nicht immer so ganz zur Instrumentalisierung.

Neben diesem leichten Negativpunkt, liegen aber auch deutlich hörbare Vorteile in dieser Aufnahmemethode. Der scheppernde Sound der Gitarren, Verzerreffekte und polterndes Schlagzeug können zusammen auch eine gute Kombination ergeben, zumal Peter Murphy einigen heutigen Indiesängern vormacht, wie man gelangweilt singen und trotzdem nicht langweilig klingen kann. „Mirror Remains“ ist so ein Song, vielleicht der Beste auf dem Album. So eine genial sägende, flirrende Gitarrenmelodie wie dort muss man erstmal hinbekommen.

Gruselatmosphäre wie einst „Bela Lugosi’s Dead“ ist dennoch auch vorhanden, wie beispielsweise durch das Horrorsaxophon auf „Saved“, bei dem Murphys exaltierter Gesang über allerlei undefinierten Klängen schwebt. Einen Titelsong gibt es nicht direkt, „Black Stoned Heart“ jedoch hat den Albumtitel mehrmals im Text, kann daher indirekt als solcher angesehen werden. Pfeifrefrain inklusive. Ungefähr so stellt man sich eine Gothic-Party vor, ein bisschen staubig, ein wenig skurril, aber doch irgendwie lustig.

Ein letztes Highlight kurz vor Schluss ist „Dog’s A Vapor“, zunächst sehr ruhig beginnend, stürzt nach vier Minuten eine Gitarre mit verzerrten Höhen dazu und verleiht dem Album einen Abgesang, dessen Qualenschreie nicht gerade auf ein schönes Ende hindeuten. So etwas mag man Bauhaus natürlich nicht wünschen, ein wenig schmälert „Zikir“ diese Vorstellung dementsprechend wieder und stimmt zum Abschluss des Albums und der Banddiskografie lieber noch einmal ruhige Töne an.

Resümierend treten Bauhaus in Würde ab, durch ein Album, welches sich nahtlos in die Diskografie der Band einreiht. Ohne viel am typischen Bauhaussound zu verändern ist das Album dennoch zeitgemäß, vielleicht nicht in allzu gesellige Runde passend, aber das wird wohl auch kaum der Anspruch der vier Musiker gewesen sein.

Klaus Porst

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