Rezension

Barbara Panther

Barbara Panther


Highlights: Moonlight People // Rise Up // O’Captain // A Last Dance
Genre: Pop // Electro
Sounds Like: M.I.A. // Lykke Li // Björk // Roisin Murphy // Robyn // La Roux // I Blame Coco // Yoko Ono // Grace Jones // Madonna

VÖ: 20.05.2011

Nach Kooperationen mit Jahcoozi, Kid 606, Sneaky und T.Raumschmiere steht Barbara Panthers Jahr 2011 im Zeichen ihres selbstbetitelten Albumdebüts. Produziert von Matthew Herbert – der hier einmal mehr seinem Ruf alle Ehre macht, aus jedem verfügbaren Gegenstand Musik machen zu wollen – leidet „Barbara Panther“ unter zwei Dingen: zum einen gab es dieses Jahr bereits ein fantastisches, latent experimentelles Female-Pop-Album (Lykke Lis „Wounded Rhymes“), zum anderen könnte sich manch einer von der Gewalt der Matthew Herbert’schen Experimente überfordert fühlen, selbst wenn sie hier einmal mehr – wie schon bei Roisin Murphys „Ruby Blue“ – in ein ungemein poppiges Gewand gehüllt erscheinen.

Herbert und Panther präsentieren sich als eine musikalische Urgewalt, als kongeniale Verbindung. Was Herbert versucht, in seinen Produktionen zu erreichen – poppiger Wohlklang, der immer mehr als eine Kante hat, der überrascht und nie seine ungemeine Spannung verliert – das ist auch Barbara Panthers Anliegen im Gebrauch ihrer Stimme. Stilistisch irgendwo zwischen M.I.A. und Björk, Robyn und Lykke Li beheimatet, finden sich hier potentielle Ohrwürmer, die mitreißen und begeistern. Purer Wohlklang und melodische Harmonie stehen im Spannungsfeld mit aggressiven Störgeräuschen elektronischen und real-weltlichen Ursprungs. In diesem Gegensatz findet ein popmusikalisches Feuerwerk statt, das zu durchdringen eine ganze Weile benötigt, das jedoch vom ersten Moment an begeistert. Panther scheint sich in ihrem Gesang besonders dann wohl zu fühlen, wenn sie expressionistisch vorgehen kann, wenn sie Gefühlslagen aggressiv überbespielen darf. Dank dieses offensiven Umgangs mit ihrer Stimme dringt sie direkt zum Hörer durch. Andererseits jedoch versteht sie es auch, fast zerbrechlich, unschuldig und darin einfach echt zu erklingen.

Dieses Spiel mit dem Gesang fängt Herbert in seinen verspielten, tiefen Arrangements perfekt ein und betont in seinen Inszenierungen das Drängende und Emotionale der Texte, ohne dabei zu übertreiben oder unglaubwürdig zu werden. Der Ursprung des so entstehenden Pops ist das zeitgemäße Anliegen elektronischer Tanzflächenorientierung. So bestimmen zumeist die verwendeten Beats die Stücke des Albums. Ob diese nun elektronisch erzeugt oder doch durch Eisenketten, Hämmer oder Burgerpackungen entstanden sind, ist bei Matthew Herbert selten nachvollziehbar. Es tut aber auch wenig zur Sache, so effektiv packen die Tracks und reißen mit. Diese elektronische Orientierung verbindet sich in den Beats mit latenten Dancehall-Charakteristiken.

Beispielhaft für das Grandiose dieses Albums mag schon die Albumeröffnung stehen. „Rise Up“ eröffnet mit einem Nebelhorn (das immer wieder aufgegriffen wird), auf das wiederum Vocal-Samples folgen, die den Charakter von Scat-Reimen besitzen. Voller Energie stürzt der Hörer hinein in diese aggressive, bedrohliche Achterbahnfahrt. Nachfolgend ist es egal, ob die Stücke eher melancholisch und tragisch erklingen („Moonlight People“, „Ride To The Source“), experimentell bedrohlich und doch voller emotionaler Harmonie („Unchained“, „Empire“, die umwerfende Schönheit namens „Dizzy“) sind, energisch den Hörer in die Enge treiben und den Körper in Bewegung setzen („Voodoo“, „A Last Dance“) oder einfach Pop sind („Wizzard“, das unglaubliche „O’Captain“), dieses Album überzeugt in jedem Moment restlos.

Vorsichtig formuliert gehört Barbara Panthers Debüt-Album sicherlich zu den positiven Überraschungen dieses Jahres. Das Potential von Künstler und Album erkannt haben die Berliner von City Slang, die es immer wieder schaffen, uns zu überraschen und zu begeistern. Die Labelmacher bekennen ganz klar, dass sie ein oder zwei erfolgreiche Alben im Jahr brauchen, um in diesen Zeiten ihre Veröffentlichungspolitik durchziehen zu können. In der jüngsten Vergangenheit zählten Arcade Fire und Caribou zu diesen Erfolgsalben. Ob „Barbara Panther“ – eher überraschend und doch verdient – zu diesen Hits des Hauses City Slang gehören wird, sei dahingestellt. Alle nötigen Anlagen dazu besitzt das Album. Zudem passt es perfekt in die Zeit und spricht die Musikhörer über die Genregrenzen hin an. Kurz gefasst: Das Album der in Ruanda geborenen und in Brüssel aufgewachsenen Berlinerin Barbara Panther ist ein Ereignis – und über wie viele Popalben lässt sich das schon rechtschaffen feststellen?

Oliver Bothe

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Barbara Panther live bei der Gaîté Lyrique
Video zur Single "Empire"

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Stream der "Empire EP"
Stream und Download des Lorn-Remixes zu Empire

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