Rezension

Austra

HiRUDiN


Highlights: Anywayz // Mountain Baby // I Am Not Waiting
Genre: Elektro-Pop // New Wave
Sounds Like: The Knife // oInnalee // Zola Jesus // Fever Ray

VÖ: 01.05.2020

Anfang 2017 veröffentlichte Austra, passend zum Beginn der Trump-Präsidentschaft, ihr bis dahin politischstes Album: „Future Politics“ war teils Betrachtung des beängstigenden Ist-Zustands, teils Entwurf einer hoffnungsvollen Utopie. Die hat sich leider noch nicht eingestellt und sicher gäbe es einiges zu sagen über die Welt und die Entwicklungen der letzten Jahre, aber Katie Stelmanis musste sich erst einmal selbst befreien. Sie machte einen Schnitt, beendete ihre Beziehung, die toxisch geworden war, und erklärte auch Austra wieder zum Solo-Projekt. Statt der alten Truppe lud sie ihr völlig unbekannte Session-Musiker ein, um mit ihnen jeweils für ein paar Stunden zu jammen, und fand in diesen Improvisationen die Inspiration für das neue Album „HiRUDiN“.

Es ist ihr persönlichstes geworden und beschäftigt sich vor allem mit Liebe, dem Anfang und Ende von Beziehungen und den damit verbundenen Gefühlen wie Scham und Unsicherheit. In den Liedern begegnen sich stets ein Ich und Du und schon die ersten Zeilen im treibenden Opener „Anywayz“ machen deutlich, wie widersprüchlich dieses Verhältnis sein kann: „You make me so angry / I love you“. Sowieso findet die Kanadierin in den Texten treffende Worte für all die Stadien zwischenmenschlicher Beziehungen und trägt sie mit ihrer gewohnt herausragenden Stimme vor, der die klassische Ausbildung immer anzuhören ist. Im musikalisch etwas unzugänglichen „Your Family“ schafft sie es sogar in nur drei Zeilen eine ganze Geschichte zu erzählen: „And when your family comes back to town / Do you know what you will say / When they ask about me?“

Der Sound auf „HiRUDiN“ ist wärmer geworden, immer noch frickelig elektronisch, aber die 80s-Anleihen haben abgenommen, das Klavier übernimmt öfter die Hauptrolle und es blitzt sogar mal etwas Tropical House durch. Die Vorgängeralben waren deutlich tanzbarer, aber angesichts der Vorgeschichte und Themenwelt wirkt diese Entwicklung durchaus stimmig. Am besten funktioniert das Konzept Austra, wenn sie die poppigen Momente zulässt, wie etwa in „It‘s Amazing“ oder „Mountain Baby“. Ersteres erinnert mit schleppendem Schlagzeug und Hang zur großen Geste an Florence And The Machine, letzteres fügt Stelmanis‘ Klangbild mit der von Nas‘ „I Can“ bekannten Mischung aus HipHop-Beat und Kinderchor eine unerwartete Facette hinzu. Auffallend sind auch der mitreißende Refrain in „I Am Not Waiting“ oder die mutige Entscheidung zur quäkenden Stimme bei „Risk It“, die für manche vielleicht die Nervgrenze überschreitet. So stolpert „HiRUDiN“ hier und da etwas, ist insgesamt aber eine gelungene Weiterentwicklung und bietet glaubhaft Einblick in Katie Austra Stelmanis Innenleben.

Marc Grimmer

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Video zu "Anywayz"
Video zu "Risk It"
Video zu "Mountain Baby"

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