Rezension

Ásgeir

Afterglow


Highlights: Afterglow // Stardust // New Day
Genre: Folk // Indie // Electronica
Sounds Like: Bon Iver // James Blake // Fleet Foxes

VÖ: 05.05.2017

Island und Musik, das ist vom Ausland aus betrachtet ein recht spezielles Thema. Bei einer ganzen Menge der Klangexporte von der kargen Atlantikinsel spielt schließlich auffällig oft eine melancholische und entrückte Grundstimmung die Hauptrolle – von der außerirdischen Elfenhaftigkeit einer Björk über die nebulösen Klangschwaden von Sigur Rós bis hin zum landschaftsmalerischen Atmo-Metal von Sólstafir. Liegt es an der Geografie? Der Kälte? Der Einsamkeit? Oder kommt einfach nur gut an, was das Klischee bestätigt?

Auftritt Ásgeir Trausti, der die Verknappung der isländischen Musikwelt auf Traumreise-Soundtracks aufbrechen könnte. Immerhin ist der Singer-Songwriter aus Reykjavik nicht irgendwer, sondern in seiner Heimat ein waschechter Popstar, der mit „Dýrð í dauðaþögn“ 2012 das schnellstverkaufte isländische Debütalbum aller Zeiten vorlegte und mit der ins Englische übersetzten Version „In The Silence“ 2014 auch internationale Erfolge feierte. Doch: Fehlanzeige. Ásgeir liefert exakt die Art verträumte Musik, die man von einem isländischen Künstler reflexartig erwarten würde. Und man darf sagen: zum Glück!

Sein mit Elektronikelementen aufgepeppter Folkpop ist in seiner teils verhuschten, teils euphorischen Klanglichkeit nämlich eine gelungene Punktlandung zwischen Kollegen wie Bon Iver und James Blake, die dennoch unverwechselbar eigen klingt. Bereits im Titeltrack, der entweder knietief in Metaphorik steckt oder tatsächlich ganz stereotyp die Polarlichter besingt, spielt Ásgeir seine Stärken voll aus: Melancholische Klavierklänge legen das Fundament, darauf schwingt sich sanfter Falsettgesang in luftige Höhen auf, verdoppelt und vervielfältigt sich und trägt den Song einem großzügig orchestrierten Finale entgegen.

Im zweiten Track „Unbound“ treten elektronische Elemente in Form von Glitches und anderen prozessierten Audioschnipseln zunächst deutlich in den Vordergrund. Der warme Gesang hindert die Maschine aber stets daran, die kalte Oberhand zu erringen. Synthesizer und Co. schmirgeln „Afterglow“ daher nicht ab, sondern verleihen dem Album vielmehr eher ein noch durchdringenderes Glühen. Perfekte Refrains wie der von „Stardust“ oder „New Day“ wirken dadurch noch einmal so gut, zumal Ásgeir trotz melancholischer Stimmung nicht den Fehler macht, seine Songs in Schnarchnasigkeit versinken zu lassen und sie mit treibenden Beats oft sogar in tanzbare Gefilde bringt.

Was nicht heißt, dass es keine gelungenen stillen Momente auf „Afterglow“ gäbe. „Underneath It“ etwa erreicht eine Sanftheit, Ruhe und Intimität, in die man sich einfach hineinfallen lassen kann wie in eine der berühmten isländischen heißen Quellen. Womit wir wieder bei den Klischees wären – aber die müssen ja nicht immer schlecht sein.

David Albus

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