Rezension

Andrew Bird

Noble Beast


Highlights: Oh No // Fitz & Dizzyspells // Not A Robot, But A Ghost
Genre: Singer/Songwiter // Pop // Folk
Sounds Like: Damien Rice // Arcade Fire // Badly Drawn Boy // Psapp

VÖ: 06.02.2009

Das mit dem Pfeifen ist ja so eine Sache. Es gibt Leute, die pfeifen für ihr Leben gerne. Vielleicht, weil sie nicht singen können. Vielleicht, weil sie nicht singen wollen. Für manch einen ist Singen etwas Intimes, was sie nur bestimmten und besonderen Menschen offenbaren möchten. Und es gibt Leute, die verabscheuen das Pfeifen, aber mit denen beschäftigen wir uns hier nicht. Wenn wir ans Pfeifen denken, denken wir an die morgendliche Dusche an einem fröhlichen Tag. Oder an unseren Opa, wie er in der Werkstatt steht und Schrauben sortiert. Denken wir an ein Orchester, denken wir an goldenen Prunk und rote Samtvorhänge, oder den Musiklehrer aus der Schule, der allen Schulorchestermitgliedern eine Eins ins Zeugnis schrieb. Denken wir an Singer/Songwriter, denken wir an ästhetische, reine und ehrliche Klänge. Und in Zukunft sollte uns da vor allem eine bestimmte Person einfallen.

Andrew Bird ist Sänger, Pfeifer, Violinist und ganzes Orchester in einem. Die Summe dieser Teile nennt sich „Noble Beast“, und würde es ein dreißigköpfiges Indie-Orchester mit sechsstimmigem Chor geben, er allein würde es übertreffen.

„Noble Beast“ beginnt mit einem Song, der die Platte als Einheit bestens repräsentiert. „Oh No“ (nicht zu verwechseln mit „On Ho“, dem letzten Song des Albums) beginnt mit wundervollen mehrstimmigen Streichertönen, mündet in lockeres Pfeifen und schließlich in Andrews unheimlich angenehme Stimme. Unbesorgt singt er zu ruhigem Schlagzeug, bis der Song eine laute und dennoch sanfte Fülle von Hintergrundgesang und unzähligen Instrumenten erreicht. „Masterswarm“ dagegen kommt mit rhythmischem Geklatsche, ein wenig Gitarre und halligem Gesang aus. Sowieso wird man beim Hören dieses Albums desöfteren überrascht und rätselt, aus welchem Gegenstand denn manche Töne eigentlich herauskommen. So bei „Not A Robot, But A Ghost“, das sich schlichtweg schlecht bis gar nicht beschreiben lässt. Hier heißt es wohl: selber hören. Zwanzigsekündige, mysteriös klingende Einspieler fügen sich ganz selbstverständlich in die Reihe ein, wie das über sieben Minuten lange klavierbegleitete „Souverian“.

Andrew Bird ist 35, veröffentlichte bereits zehn Alben, früher mit der Band Bowl of Fire, nun solo, und wirkte außerdem bei dutzenden Alben anderer Künstler mit (u.a. Bonnie „Prince“ Billy, Final Fantasy und Loney, Dear). Er beherrscht, neben Gesang und Pfeiferei, Violine, Glockenspiel und Mandoline.

Zum Schluss lässt er mit dem Rosshaar-Bogen dicke Tränen von der Violine tropfen, die nach schmerzhaftem Abschied klingen. Wer die Platte im Laufe der letzten Stunde lieb gewonnen hat, mag tatsächlich ein wenig so empfinden. Birds Werk klingt nachdenklich, üppig, schaurig-schön, clever, dynamisch, traurig. Und ist somit wohl eine der buntesten Singer/Songwriter-Platten dieses Jahres.

Stefanie Graze

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