Rezension
American Football
American Football
Highlights: My Instincts Are The Enemy // Born To Lose // Desire Gets In The Way
Genre: Emo
Sounds Like: Cap'n Jazz // Owen // Joan Of Arc
VÖ: 21.10.2016
American Football wollten niemals eine Band sein, und schon gar nicht berühmt. Sagte Sänger Mike Kinsella selbst in einem Interview irgendwann dieses Jahr. Nun ist beides so halb geschehen, zumindest in ihrer Szene haben sie einen hohen Status, weil sie eben mit ihrem Debütalbum 1999 eine unglaublich gute und essentielle Platte gemacht haben, die perfekt die damalige Zeit einfängt. Dann haben sie als Band irgendwie aufgehört, aber die Kinsella-Brüder schrieben weiterhin Musik ohne Ende – Vollblutmusiker eben, aus einer gewissen Emo-/Indierock-/Underground-Szene des mittleren Westens, wo alle mit allen in irgendwelchen Bands spielen, Cap’n Jazz, Joan Of Arc, Owls, Owen, Friend/Enemy, und wie sie alle heißen. Nur American Football lag auf Eis, und manchmal ist das auch gut so: Das eine Album ist so gut, und steht einfach als zeitloses Werk und Erinnerung an die Zeit da.
Doch dann holt die Zeit die Bandmitglieder ein, und sie haben wieder Lust, die Platte zu spielen, Reunion 15 Jahre danach, große Lust, live zu spielen, aber nicht immer die gleichen Songs – und eine neue Platte wird geschaffen, das alte Lied der Reunions, bald sind wohl alle Bands der Neunziger wieder da gewesen. Und so gibt es mit dem ebenfalls selbstbetitelten „American Football“ nun ein zweites Album der Band, mit einem einsamen Haus auf dem Cover ähnlich aufgemacht wie das Debüt. Die Musik ähnelt dem Debüt sehr, Post-Emo voller melodiöser Gitarrenlinien, Klänge für verhangene Tage, und sehnsüchtige Blicke aus dem Fenster in Richtung Horizont. Anders ist, dass das fehlt, was das Debüt so zeitlos perfekt und anders gemacht hat: Instrumentalteile, viel Raum für Trompeten, zum Atmen, um den Blicken an den Horizont wirklich Gewicht zu geben. Das machte das Album zu einem so runden Gesamterlebnis.
Hier hat jeder der neun Songs Gesang, „Where Are We Now?“ fragt Kinsella gleich am Anfang der Platte, der zweite Song „My Instincts Are The Enemy“ ist ein im Stile der Band perfekter Song, hätte sich genau so auf dem Debüt finden können. American Football machen Musik für Zeiten, die wir alle wahrscheinlich mehr oder weniger mal hatten, für die verhangeneren, einsameren Tage, und das Debütalbum stammt auch aus der Zeit, in der die Bandmitglieder solche Zeiten hatten. Es spricht direkt von ihnen direkt zu uns. Nun aber sind alle zwanzig Jahre älter, haben Frauen, Kinder, und ein „Born To Lose“ spricht nicht mehr so direkt zum Hörenden. Es spricht eine nostalgische Erinnerung des Songwriters zu uns, aber direkt im Jetzt fällt es schwer, ihm das abzukaufen. Dieses Zweitalbum wirkt schon etwas eingestaubt und nostalgisch, obwohl es gerade erst erschienen ist. Es ist kein aktuelles Zeitdokument, sondern ein später erschaffenes – wie ein Buch, das zwanzig Jahre später die Ereignisse des Mauerfalls rekapituliert. Nur eben auf unsere eigenen Leben bezogen. Im Sinne des Lebens der Bandmitglieder als Musiker macht es extrem viel Sinn, eine neue Platte zu veröffentlichen, denn das ist, was sie ihr Leben lang gemacht haben: Platten. Touren, und Platten machen. Das Zweitwerk ist an sich ein gutes Album, seine Erschaffung durch die Musiker hat seine absolute Berechtigung, aber unbedingt sein müssen hätte es eben trotzdem nicht. Die Beziehung zu dieser Platte bleibt ambivalent.
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