Rezension

AFI

Decemberunderground


Highlights: Kill Caustic // Summer Shudder // The Killing Lights // 37MM
Genre: Pop // Punk
Sounds Like: Alkaline Trio // My Chemical Romance // Panic! At The Disco

VÖ: 02.06.2006

An alle AFI Fans: Ihr müsst jetzt verdammt stark sein! Ihr erinnert euch doch noch, was vor zwei Jahren mit den langjährigen Green Day Fans passiert ist? Die Band warf ein Album auf den Markt, welches überraschenderweise auch ziemlich viele unangenehme Leute ansprach. Plötzlich meldeten Nietenproduktionsstätten einen Ausverkauf und alles wurde gestreift, was sich streifen ließ. Spätestens als man von 13jährigen Zahnspangenträgerinnen beim Konzert die Augen ausgekratzt bekam, wenn man denn ein wenig zu den alten Songs pogen wollte kam der Haß auf. Zuerst gegen die neuen Fans, dann gegen das Album und schließlich gegen die Band selbst.

„Decemberunderground“ schreit förmlich nach einer Wiederholung dieses Wahnsinns. Zugänglicher war die Musik von AFI nie, Melodien werden einem ins Gesicht geklatscht wie die WM-Bemalung der Landesfarben und rein optisch bietet die Band sowieso eine Angriffsfläche von der Größe eines Fußballfeldes. In den USA von ihrer Anhängerschaft ohnehin schon beinahe ekstatisch verehrt, ist es somit wohl wieder nur eine Frage der Zeit, bis auch hierzulande Davey-Havok-Gedächtnisscheitel und die komplette Bandshirt-Kollektion an jeder Straßenecke zu bewundern sein werden. Mit anderen Worten: Die Entwicklung, welche sich nach dem Durchbruch von „Sing The Sorrow“ bereits abgezeichnet hat, wird mit dem neuen Album todsicher fortgeführt.

Musikalisch gibt es nichts wesentlich Neues zu vermelden. Vielmehr wurden einzelne Elemente wie Popappeal, elektronische Spielereien oder insbesondere der Gesang versierter in Szene gesetzt. Davey Havocks Stimme klingt nicht mehr pausenlos so, als ob seine Lunge die Größe einer Walnuß hätte, sondern wirkt erstaunlich ausgereift und voluminös. Der Eindruck wird durch die zahlreichen mehrstimmigen Passagen und teilweise überpräsenten Choräle nur noch verstärkt.

Das Ergebnis zeigt, dass man gut daran getan hat, sich akribisch mit „Decemberunderground“ im Studio auseinanderzusetzen. Eine Ohrwurmdichte sondergleichen durchzieht das gesamte Album wie ein roter Faden. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, wem sich die Düster-Punks und Emo-Kiddies in den kommenden Monaten verstärkt zuwenden werden. Aber wer will es ihnen auch verdenken? Bereits der Start in die Platte ist furios und brescht nach kurzem Intro ordentlich nach vorne („Kill Caustic“). Da darf dann auch ruhig wie ein abgestochenes Schwein geschrien werden. „Miss Murder“ wurde als Single sicherlich ausgewürfelt, denn man hätte auch jeden beliebigen anderen Song wählen können. Ob nun „Summer Shudder“ mit dieser unglaublichen Melodieverliebtheit, oder „The Missing Frame“, diese Hymne für alle Missverstandenen, oder gar „The Killing Lights“ für den manch andere Poppunk-Bands ihren letzten Kajal hergeben würden. Einzig die Synthiepop-Nummer „37mm“ hebt sich etwas aus dem Kontext des Albums ab und dies keinesfalls negativ.

Bleibt noch die Frage nach dem Artwork der Platte zu klären. Ob AFI sich ausgerechnet vom Paderborner Drei-Hasen-Fenster haben inspirieren lassen, ist kaum glaubwürdig. Aber lassen wir der Band vorerst ihre eigenen Geheimnisse, denn nach der Tour im Herbst werden BRAVO und Konsorten bestimmt jede Einzelheit herausgefunden haben. Hoffentlich bedeutet das dann nicht Hasenbraten zum Fest für uns.

Benjamin Köhler

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