Rezension

Abe Vigoda

Crush


Highlights: Sequins // Crush // Repeating Angel
Genre: New Wave // Synth Rock // Shoegaze
Sounds Like: New Order // Cold Cave // Bloc Party

VÖ: 17.09.2010

Abe Vigoda ist tot. Als das “People Magazine” 1982 diese Ente verbreitete, ahnte niemand, dass sich dieses Fehlerteufelchen zu einem regelrechten Internet-Hype entwickeln würde. Seitdem ist der Sal-Tessio-Darsteller aus “Der Pate” ein untoter Running Gag, zumindest im US-amerikanischen Raum. Warum sich eine Postpunk-Band aus Los Angeles nun nach einem obskuren Charakterdarsteller benennt, bleibt unklar. Doch Abe Vigoda sind nicht Weezer: Wer hier eine spitzbübische Pennälertruppe befürchtet, darf glücklicherweise wieder aufatmen. “Crush” ist kein “Hurley”, keine Anspielungssammlung für Internetgeeks. Crush ist ernst, todernst.

Abe Vigoda sind tot. Nein, aufgelöst haben sie sich nicht in der Zwischenzeit. Wer jedoch die Band für ihren “tropical punk” verehrte, sollte nun sein Lieblingsforum aufsuchen und den Ausverkauf einer weiteren integren Band beklagen. Vorbei die Zeit als Postpunk-Variante des Animal-Collective-Sounds, Abe Vigoda spielen nun New Wave. Mit Synthies, zackigen Drumbeats und klirrender Kälte! Wie 35.000 andere Bands, mindestens! Schnarch?

Natürlich ist ein solch radikaler Kurswechsel höchst überraschend, gerade weil die Band der stickigen und verschwitzten “The Smell”-Szene entstammt: ein Milieu, zu dem eine sterile New-Wave-Ästhetik nicht so recht passen mag. Doch Abe Vigoda gelingt das seltene Kunststück einer erfolgreichen Stilkorrektur. Natürlich waren die Songs auf dem Vorgängeralbum “Skeleton” einfallsreich, spannend und fordernd, allerdings löste dieser Anspruch an die Konzentration gerade bei weniger Geduldigen Orientierungslosigkeit und Überreizung aus. Die schwüle Zerfahrenheit ist nun auf “Crush” einer eisigen Klarheit gewichen, ohne dass die einzelnen Lieder dadurch wie kastrierte “Skeleton”-Relikte wirken.

Der Opener “Sequins” fasst den neuen Abe-Vigoda-Sound zusammen. Ihre Hektik hat die Band beibehalten, allerdings durchzieht nun eine stringente und nachvollziehbare Melodieführung den Song. Komplexe Popmusik, sozusagen. Die einzelnen Bausteine sind altbekannt: kühle Synthies, oszillierende Gitarren und vertrackte, hüpfende Drumbeats. Natürlich erinnert das alles irgendwie an die großen Vorbilder aus Manchester und sogar an die letzten Veröffentlichungen von Bloc Party, trotzdem bleiben Abe Vigoda immer ein bisschen experimentierfreudiger als ihre Vorlagen. Auch die restlichen Lieder schlachten munter das Wave-Erbe der Achtziger aus: “Throwing Shade” ist Hommage an die New-Romantic-Bewegung, während die Gitarrenwände im himmelhoch jauchzenden “Crush” den Shoegazer-Sound zitieren. Auch die obligatorische Elegie “Repeating Angel” hätte schon vor 20 Jahren vereinsamte Seelen auf die Dark-Wave-Tanzpiste getrieben.

Das mag nun alles negativer klingen, als es soll. “Crush” ist ein gutes, wenn auch vorhersehbares Album mit überzeugenden Liedern. Abe Vigoda haben ihre Kreativität und Komplexität zugunsten eines eingängigen Songwritings heruntergeschraubt. Ein Gewinn für konservativere Musikhörer, während die wenigen, welche die Qualität einer Band an der Anzahl ihrer Tempowechsel messen, wahrscheinlich eh längst neue, vollkommen durchgeknallte und extreme Wirrköpfe aus den Tiefen des Internet gefischt haben.

Yves Weber

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