Konzertbericht

Alabama Shakes


Es sah fast schon nach dem nächsten Hype aus: Michael Kiwanuka und Konsorten lassen die Retro-Soul-Welle losschwappen, die Alabama Shakes und ihr von allen – insbesondere von uns – geliebtes Debütalbum "Boys & Girls" paddeln oben drauf mit. Bevor diese Welle die Küste des Radiomainstreams erreichen konnte, scheint sie jedoch beinahe wieder abgeebbt zu sein – den Alabama Shakes schadet's kaum.

So wurde deren zweiter Auftritt nach dem schnuckeligen Molotow-Gig bereits Wochen vorher vom Docks in das Grünspan verlegt, oder, anders: Von einer unpersönlichen Großraumdisco in einen noch recht überschaubaren und für gewöhnlich geschmackssicheren Club. Auch das größtenteils männliche Publikum wirkt zu großen Teilen so, als hätte es den Zustand der Hype-Immunität vor mindestens 25 Jahren erreicht – und vor allem, als wäre auch dessen Begeisterungsfähigkeit für eine Band wie Elektrik Kezy Mezy zu ungefähr diesem Zeitpunkt eingegangen: So fügt das Berliner Duo dem staubigen Buch des Bluesrocks zwar keine Seite hinzu, könnte sich in Zukunft aber zumindest eine Fußnote verdienen.

Wenn dann die Alabama Shakes die Bühne betreten, illustriert schon der Umstand, dass sie dies zu Frightened Rabbits vielsagend betiteltem "Old Old Fashioned" tun, dass sich das Quartett aus Hillbilly-Alabama sowieso weder um Hypes und Trends im Speziellen noch um Erwartungen im ganz Allgemeinen zu scheren scheint. So sind natürlich weder der Päderastenbart von Bassist Zac Cockrell noch das Flodder-Gedenkkleid von Brittany Howard in irgendeiner Weise kameratauglich. Ein ähnliches Bild ergibt die Setlist: Andere Bands hätten Hits wie "Hold On", "Hang Loose" und "Rise To The Sun" sicher hübsch über das ganze Set verteilt, statt sie bereits in den ersten 20 Minuten zu verbraten. Wenn dann auch noch deutlich zu bemerken ist, dass sich die neuen, hin und wieder eingestreuten und noch unveröffentlichten Songs deutlich mehr am Rockabilly der älteren EP "Heavy Chevy" als an "Boys & Girls" orientieren, ist vollkommen klar: Diese Band zieht einfach ihr Ding durch.

Es mag der "Routiniertheit" des Publikums geschuldet sein, dass dieses sich davon dennoch kaum mitreißen lässt – bis zu den Momenten, in denen Brittany Howard zeigt, dass sie möglicherweise noch mehr zur Frontsau als zur Gitarristin geboren ist. Was sich während den meisten Songs auf ausdrucksvolle Mimik beschränken muss, kann sie dann bei Stücken wie dem gefeierten "Be Mine" rennend, tanzend, lachend endlich komplett ausleben: all die Emotionen, Gefühle und eben allgemein der Soul, der in den Songs der Alabama Shakes steckt und auch noch in den hinteren Reihen des Grünspan ankommt. Ob so etwas noch im Docks funktioniert hätte – fraglich. Insofern: In manchen Fällen ist es noch schöner als in anderen, wenn Bands dann doch nicht komplett an den Hype verloren werden.

Jan Martens