Rezension

Mouse on Mars

Varcharz


Highlights: charTnok // Düül // Hi Fienellin
Genre: Electro
Sounds Like: Herbert // Thom Yorke // Aphex Twin

VÖ: 29.09.2006

Electro-Jazz-Punk, Zerstörung auf hohem Niveau, extremst frickelige Beats, gefühlt verwirrender als Aphex Twin, das sind Mouse on Mars, aka Andi Toma und Jan St. Werner. Nachdem das letzte Album sich – so hört man – mehr an Popstrukturen orientierte, legen die beiden Düsseldorfer mit ihrem aktuellen Album „Varcharz“ mit das zerstörteste ihrer Karriere vor.

Dementsprechend ist sein Erscheinen auf Mike Pattons (Faith No More, Peeping Tom, Fantomas, Mr Bungle) Label Ipecac mehr als passend. Wie auch Patton – oder als zweiter Bezugspunkt Free-Jazz als Genre – vielen Menschen als purer Lärm erscheinen mag, eröffnet „charTnok“ dieses Album mit vielschichtigem Fiepen, das an Rückkopplungen erinnert, darüber oder darunter mischt sich ein Beat. Wie auch bei weiteren Tracks des Albums („Düül“, „Inocular A“, „Inocular B“) ist dieser Beat in hohem Maße tanzbar – für Menschen, die ein Gefühl für das aggressive Wechselspiel aus Drum und Bass (also Drum’n’Bass) haben. Wie aber eben bei diesen anderen Tracks ziehen Toma und St. Werner immer wieder den Badewannenstöpsel und verändern die Temperatur ihrer Mischung. Im Stile ihrer Liveauftritte ändern sie von einer Sekunde auf die andere den Beat, den Rhythmus. So gerät der geneigte Tänzer ins Stolpern, muss reagieren; so verhindern MoM die volle Hingabe in die Musik, die Trance des Tanzens und lassen die Zuhörer sich in immer höhere Phasen der Ekstase steigern.

Der „empfundene“ Lärm dieses Albums, der die Verschrobenheit eines Albums wie „Niun Niggung“ noch potenziert, verliert dabei nie einen hinterhältigen Funk, der in Füße, Arschbacken und Gehirnzellen kriecht. Dieses Album fasst so – wie bereits angemerkt – die Atmosphäre eines Live-Gigs der Marsmäuse. Aus einer anfänglichen Verstörung entwickelt sich die zwanghafte Bewegung aller Körperteile, des ganzen Körpers und einer Masse von Körpern, die nur mittels Zerstörung der Tracks durch die Künstler vor einer Massenorgie abgehalten wird.

Angeführten Künstlern mag es nicht gefallen, aber viele der Einzelteile des Ganzen und vor allem ein Track wie „BerTney“ enthalten doch sehr viel Pop. Vielleicht deshalb schließt sich hieran der zwölfstückige Track „ReTphase“ mit seinen zwölf CD-Tracknummern an; was für die Generationen Pod und Shuffle schon ein ernsthaftes Problem darstellen kann.

Dass St. Werner und Toma ihre Musik nicht zuletzt als elektronische Weiterdenke von Free-Jazz verstehen, zeigt sich im Abschluss „one day, noT Today“, der eben genau dieses Genre bedient. Nebenbei gönnt er uns einige Momente Ruhe. Es scheint, als wollten Mouse on Mars uns zum Abschluss aufatmen lassen, auf das wir genug Muße für ein weiteres Album haben, das gerüchteweise schon in der Mache ist.

Oliver Bothe

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