Rezension

Aimo Brookmann
Schneckenhauseffekt
Highlights: Der Weg // Himmelsrichtung Westen Feat. Gunter Gabriel
Genre: Deutsch-Rap
Sounds Like: Taichi // Paulo Coelho
VÖ: 30.01.2015

Erinnert sich noch jemand an den Rapper Taichi? Nein? Doch, dahinten meldet sich einer, aber nicht ohne ein wenig Scham. Na gut, vielleicht tut man dem Berliner mit französischen Wurzeln Unrecht. Vor etwas weniger als zehn Jahren war er zumindest ein halbwegs bekannter Name unter Eingeweihten. Sein radikal abgehackter Flow in Kombination mit einem unbändigen Willen, Konzepte durchzuboxen, gab ihm so eine Existenzberechtigung. Die letzten Jahre war es aber sehr still um ihn geworden. Seinen alten Namen hat er mittlerweile abgelegt; er präsentiert sein neues Album „Scheckenhauseffekt“ unter seinem bürgerlichen Namen Aimo Brookmann. Auch äußerlich sieht man ihm die Veränderung an. Die weiten Shirts und Caps sind passenden Sachen gewichen und plötzlich sieht Brookmann aus, wie man sich den Berliner Hipster eben vorstellt.
Musikalisch schließt er zu Beginn, wie auch im zugehörigen Video, ebenfalls mit seinem alten Ego ab. Was subtil wirken will, kommt allerdings mit dem Vorschlaghammer daher. In jeder Hinsicht will Brookmann sich als geläutert zeigen. Aber sofort stellt sich das alte Problem ein. Sein Stakkato-Flow ist anstrengend und auf der Suche nach Intensität unnötig kraftvoll. Dazu kommen Songs wie beispielsweise „Schneckenhauseffekt“ mit schrecklichen Refrains. Für den Titeltrack hat er ein Bild gefunden, das nicht mal besonders kreativ ausformuliert und in Kombination mit einer Nicht-Melodie einfach schlecht ist. Ein ähnliches Problem hat „Angst“. Wieder präsentiert er ab-ge-hackt sei-ne Tex-te und lässt den Hörer aus den falschen Gründen leiden. Die Dynamik in den Songs ist so durchschaubar, dass es einfach langweilt. Auch ein Liebeslied voller Regentropfen wie „Schon Okay“ ist weder neu, noch nötig. Brookmann verhebt sich sogar an interessanten Konzepten. „Himmelsrichtung Westen“ erzählt von Cowboys und Indianern. Dadurch wird ein ganz neues Wortfeld erschlossen und Gunter Gabriel (!!!) liefert einen rauen Refrain. Doch selbst dieser Song will partout kein (Lager-)Feuer entfachen.
Produzent Timo Krämer, der zuletzt mit seinen Produktionen für Vega gezeigt hat, dass er sein Handwerk eigentlich versteht, ist um Abwechslung bemüht und die analoge Instrumentierung fällt zumindest angenehm auf. Die großspurigen Produktionen sind am Ende aber genauso anstrengend wie Brookmanns Flow. Manchmal ist weniger mehr, denn wenn das x-te Instrument dazu kommt, wird es eben wieder anstrengend. Am Ende schallen aus dem Schneckenhaus nur kraftraubende Klänge, die einen kalt lassen.
Aimo Brookmann ist immer noch Taichi. Er mag sein Aussehen und die Ästhetik rund um sein neues Album geändert haben. Man merkt den beteiligten Musikern auch den Willen an, etwas Großes schaffen zu wollen. Der Flow ist trotzdem weiterhin höchstens durchschnittlich, die Texte voraussehbar und voll uninspirierter Bilder und Vergleiche. Leider ist „Schneckenhauseffekt“ ein schlechtes, weil viel zu konstruiert dramatisches Album. Die wenigen guten Momente werden vom Rest hinterrücks in den Abgrund gestoßen. Wenn der letzte Song „Ich Danke Allen“ sich tatsächlich als vertontes Gedicht von Paulo Coelho herausstellt, nimmt auch der letzte Hörer seine Hand runter. Und irgendwo schämt sich jemand für Deutsch-Rap.
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