Interview
Tele
Es ist zwar schon eine Weile her, dass ihr in Afrika wart, trotzdem würde ich gerne kurz darüber reden. Der Spiegel hatte ja vor kurzem diese Serie über Afrika mit dem Titel "Der Fluch des Paradieses", in der es hauptsächlich um Gewalt, Armut, Korruption und solche Dinge ging. Wie habt ihr die Länder erlebt, in denen ihr wart?
Francesco: Das ist schwierig zu sagen, weil wir in erster Linie als Band mit einer ganz klar umrissenen Aufgabe da hingegangen sind - und zwar, Konzerte zu spielen. Deswegen haben wir natürlich erstmal diese Situation kennen gelernt. Also, dass man in einen Club geht, dort sein Zeug aufbaut und spielt. Sehr schön war für uns, dass wir in diesem Rahmen auch viele andere Musiker kennengelernt und mit denen zusammen gespielt haben. Daraus hat sich auch ein Austausch ergeben, der die Zeit dort überdauert hat. Zum Beispiel ist eine Sängerin, die wir in Mosambik kennengelernt haben, auch einmal nach Berlin gekommen, und wir haben hier zusammen Musik gemacht. Was darüber hinausgeht, war nicht viel, weil wir in 20 Tagen acht Konzerte in sechs Ländern gespielt haben, und da kannst du dir ja vorstellen, wieviel Zeit noch zusätzlich war. Aber in Simbabwe zum Beispiel, haben wir schon mitbekommen, wie unzufrieden die Menschen dort mit Mugabes Politik sind. Also dass er, seitdem er 1980 oder '81 als hoffnungsvoller Revolutionär ins Amt gekommen ist, das Land heruntergewirtschaftet und sich wie ein Diktator aufgeführt hat. Im Nachhinein haben wir auch viel darüber gelesen, weil es uns dann schon interessiert hat, wie es um die Länder steht. Was man vor allem in Südafrika und in Namibia sieht, ist, dass sich die Weißen dort verbarrikadieren. Nicht nur, dass sie ihre Häuser einzäunen und mit einer sogenannten "Armed Response" umgeben, sondern sie schotten auch komplette Viertel ab. Da gibt's dann 'ne Schranke, die man nur passieren darf, wenn man eine Einladung vom Botschafter hat oder sowas. Es gibt aber natürlich auch Länder, in denen das Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen besser ist. Nach Mosambik zum Beispiel kehren die ehemaligen Kolonialherren, die Portugiesen, mittlerweile wieder zurück, zwar als Geschäftsmänner in so einer Art Neokolonialismus, aber immerhin.
Hört sich so an, als würden sich in einigen Ländern richtige Parallelgesellschaften bilden.
Francesco: Auf jeden Fall. Für uns war auch sehr wichtig, dass wir mit Leuten in Kontakt kamen, die nicht vom diplomatischen Korps, beziehungsweise vom Goethe-Institut waren. Das war schon sehr bereichernd.
Was eure Musik anbelangt, scheinen die Leute ja sehr aufgeschlossen gewesen zu sein.
Francesco: Ja, das war auch sehr schön, weil die das einfach als Musik begriffen haben. Wir hätten auch eine chinesische Band sein können. Die Sprache war dabei erstmal nebensächlich.
Ihr habt dort auch viele Jamsessions mit afrikanischen Musikern gemacht. Inwieweit ist das Jammen wichtig für Tele, gerade was die Herangehensweise an neue Stücke betrifft?
Francesco: Zum Zeitpunkt der Afrikareise war das Album (namens "Wir Brauchen Nichts", Anm. d. A.) schon ziemlich weit fortgeschritten, so dass von der Reise selbst eigentlich nichts mit eingeflossen ist. Aber allgemein ist dieser Jamaspekt schon sehr wichtig. Es ist nur die Frage, inwieweit man das in die Aufnahmen integrieren kann. Die Lieder entstehen sowieso immer aus dem Improvisieren heraus, und wir machen dann solange herum, bis sich so etwas wie ein Song herauskristallisiert.
Ihr geht also sehr demokratisch vor.
Francesco: Ja, normalerweise ist es nicht so, dass jemand mit einem fertigen Song kommt. Bei zwei Songs auf "Wir Brauchen Nichts" habe ich das gemacht, also sowohl was Musik als auch Texte anbelangt.
Wie ist das denn mit dem Namen des Albums. Ich muss ja zugeben, dass ich sofort an Tocotronic denken musste. Gerade wenn ich mir jetzt die Schlagwörter ansehe, die im Zusammenhang mit deren neuem Album fallen. "Sag Alles Ab", "Kapitulation", "Verschwör Dich Gegen Dich", da passt "Wir Brauchen Nichts" sehr schön dazu. Ist es denn bei euch auch so, dass der Titel als Überbegriff für die Thematik des Albums anzusehen ist, beziehungsweise verbindet ihr damit gar ein Konzept oder eine bestimmte Aussage?
Francesco: Also Konzept ist mir viel zu anstrengend. Es liegt nicht in unserem Interesse, irgendein Konzept zu verfolgen. Es ist einfach Musik, und wenn man zu viel drumherum oder darüber baut, dann macht das die Musik zu schwer. Aber natürlich gibt es so Gedankenspielereien und auch Dinge, die man sich überlegt. Gerade, ob so eine Aussage wie "wir brauchen nichts" wirklich stimmt. Oder auch sowas wie "wir müssen nichts tun" und "muss man sich nirgendwo einmischen", "brauchen wir so etwas wie Gesellschaft". Man kann natürlich sagen, dass eine Band nichts anderes braucht als Musik. Aber das stimmt nicht, das ist Quatsch. Das Lied "Wir Brauchen Nichts" selbst ist nicht mehr als ein Liebeslied, aber wenn man so etwas über eine Platte schreibt, dann kann man den Rahmen gerne weiter fassen, und das ist auch so beabsichtigt.
Wie war das denn beim Bundesvision Song Contest? Habt ihr euch da im Vornherein viele Gedanken gemacht, ob ihr mitmachen sollt oder nicht? Es wird ja immer sehr kontrovers diskutiert, ob man als Band bei solchen Veranstaltungen mitmachen soll oder nicht. Gerade weil die Musik aufgrund des "Stefan-Raab-Stils" doch etwas in den Hintergrund gedrängt wird.
Francesco: Ich habe mir die Sendung im Nachhinein nicht noch einmal angeschaut, deswegen kenne ich den Ablauf gar nicht so genau. Für uns war das einfach eine Plattform, und ich fand auch, dass Stefan Raab eher als Moderator funktioniert hat. Es war auch nicht so etwas wie die Wok-WM, wo die Musik völlig dahinter verschwinden würde, weil das so ein Kasperltheater ist. Natürlich war es so eine Art Affenzirkus, aber ich fand schon, dass es auf einem höheren Niveau stattgefunden hat, als zum Beispiel der Eurovisions-Contest, den ich mir dieses Jahr zum ersten Mal halb bewusst angesehen habe und von dem ich wirklich richtig geschockt war. Wo ich zum Beispiel nicht gerne mitmachen würde, ist so etwas wie diese "Jägermeister Rock:Liga". Das ist mir zu blöd, weil das Jägermeister-Symbol größer ist als die Musik. Und da muss man sich natürlich überlegen, ob man das macht. Aber das muss ja jeder, der einen Beruf ausübt. Es arbeiten ja auch nicht 90% aller Deutschen bei Amnesty International, sondern man bewegt sich immer in einem Kontext, in dem man sich denkt, "hä, was is'n das eigentlich für eine Firma?". Und wir als Band sind natürlich selbständig, sind frei, und wenn wir uns irgendwo hinstellen, müssen wir immer sehen, was da für Leute drumherum sind. Aber so lange man sich nicht zur Marionette macht - und ich denke, das haben wir nicht - ist alles gut.
Das stimmt. Und damit sind wir auch schon am Ende, herzlichen Dank für das Interview.
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