Interview
Phono Pop Festival
Wenn sich am 12. und 13. Juli wieder die Tore des altehrwürdigen ehemaligen Opel-Werks öffnen, werden neben The Thermals und den Local Natives unter anderem auch wieder einige Geheimtipps und aufstrebende Künstler wie etwa HVOB und David Lemaitre zu sehen sein. Dazu kommt noch, dass die Rüsselsheimer es geschafft haben, sich trotz einiger ansehnlicher Headliner in den vergangenen Jahren ihren Charme und ihre Familiarität zu erhalten.
Hallo Carsten! Schön, dass du dir ein wenig Zeit für uns nehmen konntest. So kurz vor dem Festival ist sicher eine ganze Menge zu tun, oder?
Carsten: Langsam wird es stressig, ja. Obwohl sich nach acht Jahren und davon drei Jahren auf dem neuen Gelände natürlich eine Routine eingespielt hat. Aber durch Veränderungen und Verluste im Team und dadurch, dass wir alle auch in unseren Hauptjobs dieses Jahr sehr eingebunden sind, ist es dieses Jahr gefühlt wieder sehr stressig.
Das Festival findet nun zum achten Mal statt und ihr konntet euch zu einer festen Größe im Festival-Sommer in Deutschland mausern. Aber wie kamst du ursprünglich dazu, ein Festival zu veranstalten? Hattet ihr damals eine Art "Vorbild"?
Carsten: Wir haben uns damals in Rüsselsheim kennengelernt und dann zuerst Partys und Konzerte veranstaltet und hatten irgendwann diese tolle Möglichkeit von der Stadt für ein Open-Air-Konzert in der Festung. Damals hat im Rhein-Main-Gebiet auch einfach eine Alternative gefehlt zu all den tollen Indie-Festivals, die aber weit weg waren: Immergut, Populario, Prima Leben & Stereo. Inzwischen sind die Vorbilder eher international.
In den letzten Jahren wächst die Zahl kleiner und größerer Musikfestivals stetig. Dadurch steigt einerseits natürlich die Vielfalt, aber auch der Konkurrenzdruck nimmt stetig zu. Würdest du heute noch einmal ein Festival gründen und was würdest du Menschen, die mit dem Gedanken spielen, besonders ans Herz legen?
Carsten: Für uns ist es jedes Jahr ein Kampf um Besucher, Bands und Gelder. Dabei ist das Phono Pop ja nicht mal gewinnorientiert, sondern ein Hobby. Aber allein bei Null rauszukommen, ist schon Herausforderung genug. Es gibt Festivals, wo die Musik und Bands egal sind, den Kids geht es einfach ums Happening. Bei anderen Festivals ist das Line-Up sehr wichtig und wenn du da ein Jahr nicht ablieferst, bist du schnell weg vom Fenster. Wer heute ein Festival gründet, sollte entweder ein guter Geschäftsmann oder ein euphorischer Liebhaber sein, alles dazwischen wird nicht gut gehen.
Wie würdest du grob die musikalische Ausrichtung des Phono Pop Festivals umschreiben?
Carsten: Früher hätten wir mal "Indie" gesagt, aber Indie finden wir ja inzwischen zum Kotzen, weil das ja irgendwie die Killers und Kings of Leon sind. Es gibt DIY-Punk und Elektro, Singer/Songwriter und Mainstreamigeres, aber ich finde trotzdem irgendwie einen roten Faden, der vor allem in der Live-Qualität liegt.
Auf eurem Festival haben schon große Namen wie Die Sterne, Portugal. The Man, I Am Kloot oder auch The Thermals, die dieses Jahr sogar schon zum zweiten Mal bei euch auftreten, gespielt. Von welcher Band oder welchem Act warst du als Veranstalter bisher in der Rückschau am meisten beeindruckt?
Carsten: Von den großen Headlinern fand ich bisher Junip und Warpaint am Besten. Aber was mich viel mehr freut, ist wenn ein noch eher unbekannter Act hier richtig abräumt und zum Gesprächsthema des Festivals wird und viele Fans erobert. Wir betonen ja immer wieder, dass wir ein Entdeckerfestival sind. Man muss kein Nerd sein und die Bands alle kennen, aber man soll kommen, offen für Neues sein und sich begeistern und mitreißen lassen. Und da gab es wirklich viele Highlights: Zum Beispiel der wüste Auftritt auf der Zeltbühne damals von Japandroids. Steaming Satellites und Pttrns letztes Jahr waren auch beeindruckend.
Der Standort war für euch immer wieder ein Thema. Früher fand das Festival in der Rüsselsheimer Festung statt, bis ihr mit der Industrieromantik des Opel Altwerks einen neuen Ort gefunden habt. Wird das Festival auf absehbare Zeit dort bleiben? Und welche Vorteile seht ihr darin?
Carsten: Das können wir nicht sagen. Was mit dem Gelände in Zukunft passieren wird, liegt in den Händen der Investoren und Stadt. Ich persönlich würde aber auch viel lieber in eine kleinere Location wechseln, wo wir geringere Produktionskosten haben, eine noch intimere Atmosphäre bieten können und unabhängig von großen Headlinern werden, die auch in Zukunft sicher immer teurer werden.
Was ist dir, neben der Musik, für ein gelungenes Festival besonders wichtig?
Carsten: Eine intime, friedliche Atmosphäre und ein gutes kulinarisches Angebot. Wir finden es schon seit vielen Jahren selbstverständlich, gute vegane und vegetarische Speisen anzubieten, das fehlt mir auf anderen Festivals total. Wir würden gerne noch viel mehr in Deko und Lichtinstallationen investieren, aber meist bleibt dafür einfach kein Budget übrig, was sehr schade ist.
Ein Festival zu organisieren, macht eine ganze Menge Arbeit, aber kann man davon auch leben? Falls nicht, was treibst du sonst so, um deine Brötchen zu verdienen?
Carsten: Wir machen das Phono Pop alle als Hobby. Florian und ich haben inzwischen das ganze Jahr mit dem Phono Pop zu tun. Sobald die Buchhaltung im Herbst für dieses Festival abgeschlossen ist, beginnt das Booking und die Kalkulation für das nächste Jahr. Aber auch wir machen das nur nebenbei und haben feste Jobs in Kulturzentren – im Rind in Rüsselsheim und im Schlachthof in Wiesbaden. Nebenbei buche ich noch Tourneen für ein paar Künstler.
Das Phono Pop ist als Liebhaber-Festival bekannt und in der Vergangenheit konntet ihr immer wieder mit einem erstaunlich guten Händchen für aufstrebende Bands begeistern. Welcher Act aus dem diesjährigen Line-Up wird, deiner Einschätzung nach, schon bald ganz groß?
Carsten: Local Natives stehen in den USA auf Festivalplakaten schon sehr weit oben. Bald touren sie mit The National durch die ganz großen Arenen, ich denke, sie könnten mit weiteren guten Alben auch ähnlich groß werden.
Auf welche Festivals gehst du selbst gerne und welches ist, abgesehen vom Phono Pop natürlich, dein momentanes Lieblingsfestival?
Carsten: Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mich deutsche Festivals inzwischen extrem langweilen. Ich persönlich gehe jedes Jahr zum Primavera in Barcelona, da kann ich mir erst einen Singer/Songwriter, dann eine Weltmusikband, danach eine Hardcore-Band und zum Abschluss einen Techno-DJ ansehen – und das bei gutem Wetter in Barcelona.
Ich stelle jetzt besser nicht die unangenehme Frage, auf welchen Act du dich dieses Jahr auf dem Festival besonders freust. Aber gibt es eine Band/KünstlerIn, von der du schon länger für eine zukünftige Auflage des Festivals träumst?
Carsten: Ich denke, in unserer History an relevanten nationalen Bands, die auch finanzierbar sind, fehlt nach Fehlfarben, Die Sterne und Kante noch ganz eindeutig The Notwist. Da sind wir seit Jahren dran und dieses Jahr wieder mal knapp gescheitert. Irgendwann wird es aber passieren, spätestens zum 10. Jubiläum hoffentlich. Und international hätte ich immer noch gerne The Weakerthans. Und falls Robocop Kraus beim Reunion-Circus mitmachen wollen, würden wir auch sofort ein Angebot vorlegen.
Vielen Dank für das Interview!
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