Interview

Mighty Oaks


Nach einem erfolgreichen Festivalsommer und zwei hübschen EPs sind die Mighty Oaks mittlerweile kein Geheimtipp mehr: Ihre Tour ist komplett ausverkauft und beim Konzert im Heidelberger Hell tropft im vollgestopften Raum während des Konzerts der Schweiß von der Decke. Im Interview nach dem Gig sitzt mir der müde aber zufrieden wirkende Sänger der Band, Ian, gegenüber. Gemeinsam suchen wir Antworten auf die Frage, inwiefern Heimweh nur die Suche nach Menschenleere ist. (Dieses Interview wurde am 8. April 2014 editiert.)

Ihr kommt alle drei aus unterschiedlichen Ländern, Amerika, Italien und England, lebt aber nun alle drei in Berlin. Wie habt ihr euch gefunden? Oder seid ihr euch erst in Berlin begegnet?

Ian: Das ist eine längere Geschichte. Ich bin wegen der Arbeit nach Berlin gekommen, Claudio wegen seiner Doktorarbeit an der TU. Craig und ich kennen uns bereits aus Hamburg und Claudio haben wir dort auf einem Folkfestival auch bereits kennengelernt. Per Zufall waren wir dann irgendwann alle in Berlin und haben angefangen, gemeinsam zu musizieren und aufzunehmen.

Ihr seid also alle weit weg von euren Ursprüngen und euren Familien. Gibt es für dich oder euch ein Konzept von "Heimat"?

Ian: Ja, auf jeden Fall. Ich habe bereits in München und Hamburg gewohnt, habe mich in beiden Städten auch wohl gefühlt, war aber noch nicht so richtig angekommen und Berlin ist da jetzt tatsächlich die Stadt, in der ich mich heimisch fühle. Berlin ist für mich wie eine zweite Heimat. Obwohl ich nie gedacht hätte, dass ich mich jemals in einer so großen Stadt so wohl fühlen könnte. Ich selber komme nämlich vom Land, aus einem Vorort von Seattle, das ist direkt am Meer, zwischen zwei Gebirgshügeln, wo die Natur unglaublich schön ist, mit Platz ohne Ende, und wenn du da keinen Menschen sehen möchtest, brauchst du das auch nicht. Berlin ist dazu natürlich ein großer Kontrast, aber für Leute, die kreativ sein wollen, ist es perfekt. Trotzdem schwingt immer so ein grundsätzliches Heimweh mit.

Gutes Stichwort: Gerade bei eurer Musik hat man häufig das Gefühl, dass da Heimweh oder Fernweh, also eine gewisse Sehnsucht transportiert wird. Wo kommt die her?

Ian: Ich habe eigentlich ständig Heimweh. Dadurch sind die Songs auf jeden Fall von dem Konzept Heimweh, Fernweh oder auch Sehnsucht inspiriert. Für mich ist es auch immer die Suche nach freien Plätzen in der Natur, auf denen ich keinem Menschen begegnen muss. So bin ich nämlich aufgewachsen und ich suche ständig an der Ostsee oder in der sächsischen Schweiz nach diesem abgeschiedenen Gefühl der Freiheit, aber ich finde einfach nichts: Man fährt raus an einen blöden Baggersee und es hängen dort tausend andere Menschen rum, die ihre Musikanlage dabeihaben und die ganze Nacht so scheiß Elektromukke abspielen und du denkst "Ich will doch einfach nur in Ruhe unter den Sternen schlafen!"

Die Abgeschiedenheit ist für dich also etwas, das dich an zu Hause erinnert?

Ian: Ja genau, es hat aber auch sehr viel mit Nostalgie zu tun. Dieses Gefühl der Freiheit, die für mich durch die unberührte Natur erzeugt wird, bewirkt bei mir ein Erinnern an zum Beispiel meine Kindheit an sich, meine Familie, den Tod meiner Mutter und beste Freundschaften aus dem Sandkasten. Darum wird es auf unserer neuen Platte auch sehr viel gehen. Ich beschäftige mich seit jeher intensiv mit dem Ort, an dem ich aufgewachsen bin, wie ich aufgewachsen bin und welche Erinnerungen ich an das alles habe. Mir ist das sehr wichtig.

Aber wie ist es dann, wenn du Songs über genau diese Themen schreibst? Bist du dann besonders sehnsüchtig? Hast starkes Heimweh? Leidest?

Ian: Nein, nicht besonders doll. Also nicht mehr als sonst zumindest. Mein gesamtes Leben ist mit der Sehnsucht nach der Heimat unterlegt. Das geht nie weg. Die Songideen kommen dann ganz spontan aus dem Bauch heraus, da gibt es kein Muster oder so. Ich versuche das aber auch nie irgendwie zu beeinflussen. Auch auf der neuen Platte sind nur Songs drauf, die hauptsächlich unterwegs oder nebenbei entstanden sind.

Die neue Platte ist also schon in Sicht, ihr macht gerade eine ausgedehnte Tour, von der jede Show ausverkauft ist, und der Name "Mighty Oaks" ist mittlerweile wirklich vielen ein Begriff. Man hat also bei euch gerade das Gefühl, dass es so langsam richtig losgeht. Angenommen, ihr habt irgendwann als Musiker, als Band alles erreicht, was ihr euch jemals vorgenommen habt, welches Gefühl von eurer aktuellen Gegenwart würdet ihr euch behalten wollen?

Ian: Den Hunger nach mehr! Aber das geht, denke ich, niemals weg. Zumindest hoffe ich das! Ich habe immer das Streben danach, noch mehr zu erreichen und noch weiter zu gehen. Wir sind aber alle sehr erfolgsorientierte Menschen: Wir hätten unsere Jobs und die Uni nicht aufgegeben, wenn wir nicht an das, was wir machen, glauben würden und konsequent und mit allem Einsatz an einem bestimmten Ziel arbeiten wollen würden. Für mich war da der Schlüsselpunkt der Tod meiner Mutter. Ich habe gemerkt, wie schnell alles vorbei sein kann und mich gefragt, was es denn überhaupt bringen soll, wenn ich jeden Monat Geld auf meinem Sparkonto anhäufe, dafür aber gar nicht lebe. Ich hab eben nur diese eine Chance und die möchte ich nutzen. Erst recht seit ich gemerkt habe, dass das, was wir als Band machen und können, schon ein bisschen was Besonderes ist. Dabei ist das Besondere gar nicht, was wir zu erzählen haben oder so. Wir singen unsere Songs über das was uns beziehungsweise mich bewegt, ganz ehrlich und echt. Was wir aber wollen, ist, mit diesen Songs so viele Ohren wie möglich zu erreichen. Ja, ich glaube, es ist genau das Gefühl, das wir behalten wollen: Den Drang danach, so viele Menschen zu erreichen, wie irgendwie möglich und ihnen unsere Geschichten erzählen.

Du sprichst jetzt bereits das neue Album an, daran arbeitet ihr also schon. Wie geht es denn sonst so weiter bei euch nach dieser erfolgreichen Tour?

Ian: Wir haben vor drei Wochen bei Universal unterschrieben und arbeiten jetzt mit Hochdruck am Album. Wir sind da wirklich sehr motiviert gerade und es macht einfach Spaß! Der Produzent ist derselbe wie auf unserer EP und das läuft alles echt sehr gut gerade.

Das klingt großartig. Glückwunsch zum Plattenvertrag und viel Erfolg weiterhin!

Silvia Silko

Lesen


Rezension zu "All Things Go" (2020)
Rezension zu "Dreamers" (2017)
Rezension zu "Howl" (2014)

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!