Interview

Baddies


Na sowas: Wer glaubt, Bands wie The Hives, The Locust oder auch Baddies trügen ihre jeweiligen Uniformen ausschließlich auf der Bühne, darf jetzt schmunzeln. Letztere präsentierten sich nämlich sogar zum Interview einheitlich in himmelblauen Hemden. Und das ist erst die Spitze des Eisbergs! Was die selbst ernannten Bösewichte der britischen Indielandschaft sonst noch in Petto haben, zeigt das Interview mit der gesamten Band, geführt auf dem diesjährigen Highfield-Festival.

Hallo, Jungs. Wie ich höre, seid ihr gerade erst hier in Hohenfelden angekommen. Ist das eure erste Europa-Tour?

Michael Webster: Also das hier ist unsere erste Festivaltour in Europa, fünf Tage lang sind wir davon in Deutschland. Im Oktober steht dann unsere erste große Headliner-Tour auf dem Plan.

Einer eurer Deutschland-Gigs war ja das Omas Teich Festival...

Michael: Ach, das war super. Da hat es doch so stark geregnet! Das war sogar einer meiner Lieblingsgigs. Alles fiel förmlich auseinander, aber die Menschen schienen richtig Spaß zu haben.

Stoßt ihr außerhalb von Großbritannien auf viel positives Feedback?

Michael: Aber hallo! Am Besten haben uns die Leute in Skandinavien aufgenommen. Besonders auf dem Roskilde und dem Provinsirock in Finnland.

Nun seid ihr ja auf dieser großen Tour, ohne überhaupt ein Album veröffentlicht zu haben. Und dabei ist gerade das normalerweise der Grund für eine Tour. Dennoch scheint ihr stets wirklich viele Menschen zu mobilisieren, zu euren Konzerten zu kommen. Ist es nicht merkwürdig, dass ihr jetzt schon so populär seid?

Michael: Normalerweise ist das Album zuerst da, das stimmt. Bei uns war es so, dass unser Booker letztes Jahr diese große Europa-Tour geplant hat, bei der es uns auch in ganz andere Ecken verschlagen sollte. Wovon wir dabei ganz klar profitiert haben, ist der Stellenwert von Myspace, Youtube und so weiter. Und wir hatten auch Glück mit der englischen Presse, die uns sehr zu schätzen scheint. Ich denke mal, so ist es möglich, dass das Publikum sogar immer größer wird, ohne dass wir ein Album im Gepäck haben.

Simon Bellamy: Unsere Popularität derzeit übersteigt wirklich das Maß, auf das wir das Recht hätten. Deswegen fiebern wir auch schon dem Release unserer Platte entgegen. Momentan verbreitet sich unser Ruf, eine tolle Live-Band zu sein, vor allem über Mundpropaganda. Da bleibt jetzt natürlich zu hoffen, dass das Album auch die Leute, die nur ein paar Songs kennen, das nächste Mal wieder dazu animiert, zu unseren Konzerten zu kommen.

Ist Baddies eigentlich eure erste Band oder hattet ihr vorher auch andere Projekte?

Simon: (grinst) Wir haben alle schon in unterschiedlichen Bands gespielt und Erfahrung gesammelt. Michael hatte mit seiner vorigen Band da den meisten Erfolg, die hatten auch einen Plattendeal.

Michael: Wir hatten alle sogar verschiedene Rollen! Danny hat früher Gitarre gespielt, bei Baddies ist er jetzt am Bass, Simon war eigentlich Sänger, spielt jetzt aber Gitarre und macht die Backings. Nur Jim ist immer schon Schlagzeuger.

Jim Webster: Hey, ich hab' früher auch mal Flöte gespielt. (alle lachen)

Eines eurer Markenzeichen sind offensichtlich eure Shirts, die ihr auch jetzt tragt. Steht dahinter ein gewisses Statement?

Michael: Es ist eigentlich nur eine Uniform, um die Band zusammen zu schweißen. So fühlt man sich als Teil eines Teams, einer Gang. Die Idee ist aber aus purem Zufall entstanden. In unseren Anfangstagen filmten wir oft unsere Auftritte. Einmal war jemand aus dem Publikum komplett in Schwarz gekleidet und das Licht fiel so auf ihn, dass auf der Aufnahme dieser Blauton entstand. Und weil wir das so stimmig fanden, hatten wir auf einmal unsere Uniform gefunden. Eine wirkliche Botschaft verbirgt sich dahinter allerdings nicht.

Jim: Der Punkt ist, dass unsere Hemden vielleicht keine Botschaft übermitteln. Aber: Sie nehmen den Modeaspekt aus der Musik. So muss sich niemand fragen: "Was zieh ich denn heute an?" Außerdem vermeiden wir auf diese Weise Reibungen, weil wir uns sonst eh nur sagen würden, wie scheiße wir alle aussehen (grinst).

Simon: Wir haben diese Hemden sogar ständig getragen, als wir unser Album aufgenommen haben. Also wirklich den ganzen Tag. Denn dann war klar: ich bin in der Band, ich gehöre dazu. Es ist also kein wirkliches Mode-Statement, sondern vielmehr Träger eines Gefühls, das wir auf der Bühne normalerweise haben.

Mir ist aufgefallen, dass eure Musik eine dunklere, gehässigere Seite hat als die anderer Indiebands aus Großbritannien. Seht ihr das genauso?

Michael: Sie hat einen gewissen Twist. Ich finde witzig, dass dir das auffällt, denn diese Facette bemerken anscheinend nicht viele. Und dabei ist sie doch offensichtlich! Ob es nun unsere Texte oder andere kleine Gemein- und Dummheiten sind. Aber ich denke, dass uns das gerade von Bands wie den Arctic Monkeys oder den Kaiser Chiefs abhebt, wenn wir auch 'nen gewissen Hang zum Pop mit diesen Bands teilen.

Jim: Du musst wissen, dass wir uns von Anfang an als Ziel gesetzt haben, dunkler zu klingen als der Rest. Denn braucht die Welt wirklich eine weitere beschissene Popband, der die Sonne aus dem Hintern scheint? Mit Filmen ist es doch genauso. Es gibt so viele nette, kleine, unterhaltsame Streifen. Aber die, an die du dich wirklich erinnerst, sind doch meistens anders – meistens auch in irgendeiner Form bösartig.

Michael: Außerdem sind wir ja nicht nur gehässig. Wir haben ja auch Spaß mit dieser Attitüde. Sonst würden wir wohl Death Metal machen und alles zusammenbrüllen, bis keiner mehr steht.

Kommen wir nun mal zu eurem Debütalbum "Do The Job". Mit welchem Produzenten habt ihr gearbeitet?

Danny Rowton: Produziert wurde das Album von Sean Genockey. Durch die Band Reuben – Freunde von uns – sind wir auf ihn aufmerksam geworden. Mit denen hat Sean mal gearbeitet und wir kannten ihn auch von seiner vorigen Band. Deswegen kamen wir von vornherein gut mit ihm klar. Und die Chemie muss stimmen, wenn man mit jemanden eine so lange Zeit verbringen will. Dazu kommt, dass wir einen sehr eigenartigen Humor haben, was es den Meisten, die mit uns arbeiten, nicht unbedingt leichter macht. Außerdem hat Sean schon mit Rockgrößen wie den Manic Streat Preachers gearbeitet. Dass er dennoch gerade ziemlich unbekannt ist, könnten wir ja vielleicht mit unserem Debüt ändern.

Jim: Ich glaube, Sean hat in unseren Songs dasselbe gesehen wie wir: dass sie nämlich das Zeug haben, unseren Durchbruch zu ebnen. Deswegen hat er es auch fast umsonst mit uns aufgenommen. Er hat wohl gespürt, was hinter der ganzen Sache für ein Potenzial lauert.

Simon: Außerdem kennt er uns seit unseren allerersten Konzerten und hat unsere Entwicklung seitdem verfolgt und unterstützt. Eines Tages haben wir ihm in seinem Studio einige unserer Demos vorbeigebracht und ihm gefiel das Material sofort. So konnten wir bereits ohne jegliche Mittel schnell ein paar Songs professionell aufnehmen.

War es auch das Ziel bei den Aufnahmen von "Do The Job", diese energetische Bühnenpräsenz, die ihr seit euren Anfangstagen habt, einzufangen oder kann man auf der Platte auch Instrumente erwarten, die ihr live nicht einsetzen werden könnt?

Michael: Also wir haben das Album in den Rockfield-Studios aufgenommen, wo auch schon Queen, Black Sabbath und Jimmy Page Platten eingespielt haben. Eine Woche lang haben wir dann unsere Songs live aufgenommen und die nächsten Wochen damit verbracht, Kleinigkeiten hinzuzufügen und Dinge zu verfeinern - also beispielsweise zusätzliche Gitarrenspuren oder Backing-Vocals. Und ich denke, wir haben den Live-Sound sehr gut einfangen können. Einige Songs haben schon noch einen gewissen Feinschliff erhalten.

Aber ihr werdet keinen fünften Mann auf die Bühne holen, um diese Kleinigkeiten auf die Bühne zu bringen?

Simon: Nein, auf keinen Fall. Die Songs wurden ja auch dafür geschrieben, livetauglich zu sein. So viele Feinheiten sind es dann auch gar nicht, die dazugekommen sind. Die Platte sollte schon noch so roh klingen, dass wir sie live zu viert spielen können. Also erwarte bitte keine Pianos oder Synthesizer. Die können wir eh nicht bedienen (lacht).

Wird sich "Do The Job" also an den vorausgegangen Singles orientieren oder auch noch andere Richtungen einschlagen?

Michael: Wir bleiben schon auf unserem eingeschlagenen Weg, machen aber auch ein paar Schlänker dabei. Ein paar Songs sind tanzbar, andere punkiger...

Simon: Ich würde einfach sagen, sie klingt nach uns. Michael hat zu der Zeit, zu der wir das Album aufnahmen, zum Beispiel viel The Clash gehört. Eines morgens kam er also mit einer von The Clash inspirierten Basslinie an. Und die haben wir dann alle zu einem Baddies-Song transformiert. Dass die Platte nach uns klingt, heißt wie in dem Fall also auch, dass solche Dinge mit einfließen.

Mogwai haben einmal den desaströsen Einfluss Londons auf die Kreativität erwähnt und beschrieben, wie es als Zentrum britischer Musikkultur Bands dazu bringt, nur vermarktbare Musik zu machen. Mogwai sind ja nun Schotten, ihr seid aus Essex und damit wesentlich näher an London. Spürt auch ihr diese destruktive Einstellung von London?

Jim: Ja, London hat eine Szene, die ganz gern ihr eigenes Süppchen kocht und sich ziemlich isoliert. Und viele Bands sind glücklich damit, dort einigermaßen bekannt zu sein und ihre Fühler nicht weiter auszustrecken. Sicherlich ist es super, wenn du dort auf der Straße erkannt wirst. Aber der Rest der Welt interessiert sich überhaupt nicht für deine Musik. Die Attitüde ist also in gewisser Weise zerstörerisch, aber nur auf sich selbst bezogen. In etwa alle sechs Monate gibt es dort einen neuen Haufen Bands, die wieder alle untereinander gleich klingen, aber anders als der vorige Haufen. Nur ab und zu werden von diesen Bands auch mal einige über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.

Michael: Mit Manchester ist das doch genauso. Denk doch nur mal an The Smiths oder The Stone Roses. Die Szene dort ist riesig. Aber an der Sache mit London ist schon was dran. Die Leute dort sind schwer zu beeindrucken, weil sie eben so eine große Szene und dementsprechend auch eine große Auswahl an Bands haben. Wir haben auf unserer Tour im Oktober auch nur einen Gig dort – das war's. Mit London sind wir durch. Aber das ist lediglich eine Szene. Es gibt so viele auf der Welt und wir sind nicht glücklich damit, auf eine beschränkt zu sein. Wir wollen, dass man uns überall kennt.

Fühlt ihr euch denn einer Szene zugehörig?

Simon: Nein, sicher nicht. Unsere Situation ist auch etwas anders, weil wir deutlich älter sind als andere Bands unserer Größenordnung. Wir versuchen eher, einen eigenen Sound zu kreieren. Wir wollen keine bestimmte Zielgruppe erreichen.

Danny: Ein Problem von Szenen ist ihre Kurzlebigkeit. Viele Bands gehörten mal zu einer Szene und sind dann aus ihr heraus gewachsen. Diesen Schritt haben wir gewissermaßen übersprungen. Szenebands geraten irgendwann außer Mode und werden auf den Stil, den sie einmal hatten, festgenagelt. Und das ist gefährlich.

Michael: Der Punkt ist, dass wir keiner Szene beitreten wollen. Wir wollen eine eigene gründen. Der Ursprung, der Urheber zu sein – darum geht's. Dass Leute auf deinen Zug aufspringen, kannst du dann nicht verhindern. Wer weiß, was passiert, wenn unser Album erstmal draußen ist.

Eben: wer weiß schon, was für Wellen "Do The Job" letztendlich schlagen wird? Fest steht, dass diese Band ihr gesundes Selbstbewusstsein nicht umsonst trägt. Denn diese Jungs haben die Erfahrung, die Absicht und auch das Zeug dazu, die von Britpop und New New Wave überfluteten britischen Musiklandschaft ganz gepflegt trocken zu legen. Diese Vier sind mitnichten nur selbsternannte Bösewichte.

Gordon Barnard

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Rezension zu "Do The Job" (2009)

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