Festival-Nachbericht
Pukkelpop Festival
Hasselt, Belgien. Kirschbier. So kann man das ganze ungefähr auf einen Nenner bringen, in was für einem Verhältnis das Pukkelpop so zu allen möglichen deutschen Festivals steht: Auf deutschen Festivals gibt es nur Bier, beim Pukkelpop (natürlich nicht ausschließlich - um keinen schon im ersten Absatz zu vergraulen) gibt es Kirschbier. Irgendwie also auch Bier, aber irgendwie auch nicht; und so ist auch das Pukkelpop zwar streng gesehen "nur" ein Festival, dafür aber eins mit einer hierzulande eher unbekannten, leckeren Geschmacksnote.
Das geht schon mit der in weitesten Teilen wie am Schnürchen laufenden Organisation los: Ernstzunehmende Einlassschlangen auf's Gelände oder den Campingplatz sind auch bei 60.000 Besuchern Fehlanzeige, letzterer ist jedes Mal optimal effizient ausgelastet und obwohl eine vierspurige Straße zwischen Zeltplatz und Gelände verläuft, sind meines Wissens bisher überraschend wenige betrunkene minderjährige Belgier von Ommas Renault Clio und dem erstbesten Milchlaster über den Haufen gefahren worden. Dazu wird immer mal wieder probiert, persönliche Atmosphäre reinzubringen: Die Straßen des Campingplatzes sind nach auf dem Festival spielenden Bands benannt (die "Bei Route" - GET IT!?) und statt Müllpfand gibt's für jeden abgegebenen, vollen Müllbeutel ein Gimmick - dieses Jahr zum Beispiel einen Kulturbeutel (klar, dafür sieht's da auch jedes Jahr am Abreisetag aus wie Dresden '45 - aber der gute Freiwilligkeitsgedanke zählt).
Doch allzu langes Rumpimmeln im Pavillon ist beim Pukkelpop so oder so nicht angesagt - zum einen kann man mit dem Nachbarsvolk sowieso schlecht socializen, da man ihre merkwürdige Wookie-Sprache namens Flämisch nicht versteht, zum anderen ist das Pukkelpop gerne fies genug, Must-Sees zu unmenschlichen Zeiten spielen zu lassen: Kaizers Orchestra, 2008 noch Headliner bei unserer lieben Oma ihrem Teich, um 11.30 ist das Stichwort, und auch 2009 spielten namhafte Bands wie The Rifles oder New Found Glory zu Zeiten, an denen man eigentlich noch niemanden zwingen sollte, sich aus dem Campingstuhl zu pulen. Aber irgendwas, das man irgendwie schon immer mal sehen wollte, spielt beim Pukkelpop eigentlich immer. Kein Wunder bei 8 Bühnen - auch wenn auf zwei von denen immer nur DJs monotone Elektromucke auflegen, auf die 3/4 der belgischen Festivalbesucher merkwürdigerweise abgehen wie ein brennendes Zäpfchen.
Dafür gab's auch 2009 wieder genug zu sehen, wobei die lieben Booker zynisch genug waren, den Donnerstag durchgängig mit Highlights zuzustopfen. Da bisher nur Schafe und kein Homo Sapiens geklont werden kann, stellten sich dann Fragen wie: Bei geschätzten 8,8 Millionen Grad im Schatten open air zu Maximo Park tanzen oder sich Port O' Briens Folk im Chateau anschauen? Sich ein paar Stunden später bei den Deftones durchregnen lassen oder doch lieber Emokloppen bei Thursday? Jugendrevival bei Offspring oder doch lieber zu Them Crooked Vultures, der neuen Band von Dave Grohl und Josh Homme, der ausnahmsweise keine schlechte Laune an Journalisten auslassen musste? Egal, Hauptsache Tagesabschluss mit Faith No More und Sir Mike Patton, der ca. 1% des Publikums individuell bepöbelte und sich dadurch bei den restlichen 99% ungeheuer beliebt machte.
Hipper Shit folgte am Freitag: Schnurrbartgott Jesse Hughes mit den Eagles Of Death Metal, Glasvegas mit einer NOCH schlechteren Drummerin als die White Stripes, Vampire Weekend mit einer Baggerladung guter Laune. Kraftwerk als Abschluss waren zwar weniger hip, dafür aber wenigstens laut, und wer einen Placebo-Auftritt kennt, kennt sie eigentlich alle - Highlight daher der erste von zwei Auftritten von dEUS, der erfolgreichsten belgischen Band: Sowas wie die Hosen also, nur in gut. Einen Tag später überzeugte dann zu später Stunde auch deren zweiter Auftritt, bevor die Arctic Monkeys sich unfähig zeigten, zwei Lieder am Stück zu spielen. Erwähnenswert an diesem Tag ist weiterhin noch der nachmittägliche Auftritt von 50 "Fiddy" Cent, der mit "Put your hands up!!!!!!11" und "Make some noiiiiiiise!!!!1" immerhin zwei verschiedene Sätze artikulieren konnte.
Am nächsten Tag wurde die Müllhölle, die sich Campingplatz nannte, dann wieder verlassen und in gerade einmal fünf Stunden die Strecke Hasselt-Hamburg zurückgelegt - auch nicht länger als ein Trip zum Ring, dafür mit dem Wissen, ein wesentlich sympathischeres, gemütlicheres und musikalisch abwechslungsreicheres Festival besucht zu haben. Warum sich hierzulande die meisten immer noch zwangsläufig auf einheimische Festivals konzentrieren müssen - man weiß es nicht. Die Sprachbarriere mag da sein, aber: Auch Wookie kann man lernen. Und "Bier" heißt auch auf Flämisch "Bier". Mal so als Anfang.
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