Festival-Nachbericht

Omas Teich Festival


Eine wichtige Hürde: Die Marke der 10.000 Besucher sollte in diesem Jahr bei Omas Teich fallen. Ein Schritt gleich dem Aufstieg in die erste Bundesliga. Mit einem Rattenschwanz an Befürchtungen: Gibt's jetzt ellenlange Schlangen? Hoffnungslos überfüllte Camping-Plätze? Und unerträglich lange Märsche zum Gelände? Es gab Etliches, das am 29. und 30. Juli schief gehen konnte.

Doch schon die Anfahrt zerbläst das Misstrauen im Wind: Bahnfahrer freuen sich im naheliegenden Leer über einen schon bereitstehenden Shuttle-Bus, wer mit dem Auto angetuckert kam, parkte seine Karosse ohne große Warterei und nur eine Spuckweite vom Camping-Platz entfernt – Organisation: top. Entspannte Grundstimmung, perfekter Nährboden fürs Wesentliche.

Und hier gelang Omas Teich stets die Gratwanderung zwischen Punk- und Rockkapellen und Indie-Perlen. Nichts anderes in diesem Jahr: Schon zu Beginn des Freitags teilen die blendend gelaunten Timid Tiger ihre Stimmung mit Omas Gästen. Merkwürdig: Offenbar hat sich der Time-Table verschoben, die Band spielt deutlich später. Egal: Quicklebendier Indie-Pop schallt hier meist von der Zeltbühne, der regelmäßig die Staffel an Groove-Rock und Punk abgibt – so frisch und fröhlich darf's weitergehen. Aber dann erstmal lange Gesichter, als der Grund für den durchwirbelten Zeitplan klar wird: And So I Watch You From Afar spielen nicht. Warum denn bloß? "Bei denen ist irgendwer krank", weiß ein Security-Mensch. Bitter, fehlt jetzt doch eines der Schmuckstücke im Line-Up.

Zum Glück ist Danko Jones Fachmann fürs Schulterklopfen: Simpler Hard-Rock mit der entscheidenden Prise Melodie und dazu Entertainer-Qualitäten wie die ganz Großen: Danko kann's und passt damit perfekt auf die Hauptbühne. Schade nur, dass der Sound sich ein wenig zurückhält, da wäre mehr Druck drin gewesen. Den haben vielleicht Blackmail gemopst: Das Quartett mauert immer noch die stabilsten Gitarrenwände Deutschlands. Neuzugang am Mikro Matthias Reetz wirkt, insbesondere auch wegen seiner zusätzlichen Gitarre, auf die Band wie ein Spritzer Zitrone aufs Glas Mineralwasser – hocherfrischend. Im Anschluss lärmen The Thermals die verdutzten Zeltgänger zu Klump. Nicht schlecht, aber nicht außergewöhnlich. Das gilt genauso für den ersten Headliner: Wir Sind Helden liefern eine nette Performance, sogar in der Umbaupause singen die Menschen auf der Zeltbühne mit. Dennoch: Gegen die an Hochstromaggregate angeschlossenen Bratze sehen sie alt aus. Das Duo aktiviert letzte Energiereserven des Abends, pumpender Elektro-Trash und irre Lyrics verschmelzen mit saftigen Gitarrenriffs – die Meute tanzt.

Samstagfrüh wird's organischer, Punk übernimmt. Und das in diversen Spielarten: Der Indie-Punk der Hamburger Findus glänzt mit perfekt ausbalanciertem Sound und schrägen Texten in der Muttersprache, Three Chord Society sind mindestens so gut gelaunt wie ihr beschwingter, treibender Melodycore. Als härteste Band des Festivals kotzen sich dann The Blackout Argument richtig schön aus – Post-Core, der den Moshpit fordert. Schade nur: Die Münchener lösen sich nach der aktuellen Tour auf. Mit etlichen schrägen Nuancen punkten dann Adolar im Zelt, die sich an ein Bratze-Cover wagen – und die Sache gut machen. Dann die Krönung des Festivals aus unerwarteter Ecke: Royal Republic kommen aus Schweden und erinnern nicht nur deswegen an The Hives. Mengt man noch ein bisschen Beatsteaks und ein gutes Stück Danko Jones bei, ist man gefühlt nah dran. Verdienst der Band: Sie treffen den Nerv des jungen, sportwilligen Publikums. Mit dem lässt sich von Hinsetzen bis Circle-Pit so mancher Schabernack treiben – Royal Republic ziehen das komplette Programm durch. Wofür sie nicht mal was können, da Omas Gäste oft selbst damit starten. Der Pöbel hat Bock!

Das Level halten kann danach Rap-Wunderkind Casper. Der Gute trägt mit umgedrehtem Kruzifix auf dem Shirt und dazu passenden Ansagen gern mal dick den Rocker auf, liefert aber konsequenterweise auch die entsprechende Show. Freestyles über Nirvana- und MGMT-Samples und eine Wall-Of-Death auf einem Hip-Hop-Konzert – die Hoffnung auf diesen Jungen hat seinen Grund. Zebrahead und Madsen folgen dann aufeinander, sind gewohnt solide. Im Zelt freuen sich Turbostaat über das "Highlight der Festivalsaison" – glaubt man gern, so frenetisch feiert Omas Teich den smarten Indie-Punk der Flensburger ab.

Die Editors sind da machtlos, denn – mal ehrlich – so richtig ins Line-Up passen sie gar nicht. Kühle Ästhetik, akribisches Songwriting, tiefatmosphärischer Sound. Alles an sich hübsch, aber auch deplatziert, gab der Rest der Teichbands doch dieses Jahr vor allem eines: Gas. Frank Turner gelang da der ideale Abschluss. Erhebend ist's, wie er und seine Band schlagartig Menschen zum Mitsingen animieren, die ihn vorher noch nie gehört haben. Ein Fest der Euphorie, vorgetragen im Gewand des Folk-Punk. Zwei Mal jubelt das Festivalvolk Frank zurück auf die Bühne, bis der Gute dann als definitiv letzten Song des Festivals "Dancing Queen" von ABBA zum Besten gibt. Und alle gröhlen sie freudentrunken mit.

Unbeschwert, entspannt und unkompliziert – alles Stempel, die sich Omas Teich weiterhin aufdrücken darf. Übrigens: 10.000 Besucher waren's letztlich doch nicht – der Veranstalter sprach von 9.000. Aber: Das sind Peanuts, fällt die Hürde eben im nächsten Jahr. Bei der Souveränität in diesem Jahr ist eines sicher: Beim nächsten Sprungversuch braucht's nicht mal mehr den Anlauf – das klappt aus dem Stand.

Gordon Barnard

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