Festival-Nachbericht

Haldern Pop Festival


Alle Jahre Haldern Pop Festival. Das Ticket kauft man sich schon lange blind, weil man sowieso sicher sein kann, dass die Booker immer wieder das richtige Näschen beweisen und eine wunderbare Mischung aus allen möglichen Genres aus dem Hut zaubern. Dass man meistens von einem nicht geringen Teil der Bands noch nie etwas gehört hat, ist dabei auch vollkommen egal. Dann lernt man sie eben kennen! Das änderte sich bei der 27. Ausgabe des Festivals ebenfalls nicht und trotz kleiner Schönheitsfehler können wir auch dieses Jahr den Preis für das schönste Festival Deutschlands dem Haldern Pop überreichen.

Die kleineren Macken sind schnell auf den Punkt gebracht: die Veranstalter haben bei der Organisation einiges versucht und dabei nicht immer ins Schwarze getroffen. Das fing schon bei der Anreise an. Aufgrund der großen Ankündigung im Vorfeld, dass das Campinggelände auf jeden Fall erst ab 12 Uhr geöffnet werden würde, kam es natürlich zu einem geballten Andrang der Festivalbesucher um diese Uhrzeit. Kilometerlange Auto-Schlangen waren das Resultat. Völlig untypisch für das Haldern. Das gleiche Szenario ereignete sich (ohne Autos, versteht sich) zu Beginn des Festival-Freitags. Wegen einer zusätzlichen Einlass-Kontrolle vor dem Spiegelzelt mussten Besucher teilweise über 45min lang warten, um überhaupt erst auf das Festivalgelände zu kommen. Die Situation beim Spiegelzelt selbst hat sich, wie jedes Jahr, ebenfalls nicht geändert. Vor allen Dingen am Donnerstag kam man nicht mehr rein, wenn man es erst mal verlassen hatte und musste sich die Konzerte dann von draußen aus ansehen. Das ist aber nun eben mal der Preis, den man für außergewöhnliche Konzerte in einem außergewöhnlichen Ambiente zahlen muss.


Photos: Ola Hultgren, Wendy McNeil, Villagers (Photos von Marlena Julia Dorniak)

Und seien wir mal ehrlich: diese Problemchen sind natürlich Firlefanz im Vergleich zu den organisatorischen Aussetzern bei vielen anderen Festivals und so richtig schmerzhaft waren sie auch dieses Jahr nicht. Sowieso steht natürlich die Musik an erster Stelle und die fing schon Donnerstag mit einem unglaublich starken Line-Up an. Langweilte David Ford zunächst noch mit seiner Singer/Songwriter-Darbietung ohne Wiedererkennungswert, konnten im Anschluss Cymbals Eat Guitars das erste Ausrufezeichen des Festivals setzen. Energetisch, ausgefallen und einfallsreich präsentierten sich die Songs der vier New Yorker. Beach House hatten dann mit argen Soundproblemen zu kämpfen, was sie allerdings nicht daran hinderte, ihr Publikum trotzdem zu verzaubern. Dem Chapel Club gelang dies zwar nicht so ganz, aber die Band konnte immerhin als gute Editors/The-Twilight-Sad-Kopie überzeugen. Nachdem die Sting-Tochter I Blame Coco sich mit am Reißbrett entworfenen Popsongs eher selbst blamierte, waren es dann die isländischen Seabear, die einen viel umjubelten Gänsehaut-Auftritt hinlegten. Da kamen Stornoway als Abschluss dann nicht mehr ganz ran, begeisterten mit ihren schönen Folksongs und der Ausnahmestimme von Sänger Brian Briggs aber dennoch.

Am zweiten Tag des Festivals regnete es morgens ein paar Minuten lang, aber es sollte der einzige Niederschlag des gesamten Festivals bleiben. Stattdessen strahlender Sonnenschein satt, mit ein paar Wölkchen, die dafür sorgten, dass die Temperaturen schön angenehm blieben. Angenehm war auch der Timetable am Freitag. Man konnte sich ausreichend von den „Strapazen“ des Vortags erholen und dann nachmittags gemütlich zum Festivalgelände schlendern. Dort sah man zuerst okaye Detroit Social Club, einen entfesselten Fyfe Dangerfield und eine sexy Rox, die mit mächtig Soul und R’n’B dem Festival noch einmal einen weiteren Anstrich verlieh. Post War Years überraschten etwas später mit dem wohl tanzbarsten Auftritt des gesamten Festivals. Von wegen Foals-Klone! Da steckten wesentlich mehr Hummeln im Hintern. Die hätten Mumford & Sons hingegen gut gebrauchen können, denn obwohl das Publikum mehr als euphorisch war, kam die Band nicht so recht aus der Hüfte. Regelrecht enttäuschend waren im Anschluss allerdings Beirut. Deutlich war Zach Condon und Co. anzusehen, dass sie nicht so wirklich Lust auf Festival haben, was durch ständiges Nachfragen, wie lang denn noch zu spielen sei, nur noch unterstrichen wurde. Während sich im Spiegelzelt Daniel Benjamin aufs Fressbrett legte, spielten Serena Maneesh als Closer auf der Hauptbühne einen extrem verstörenden Gig, der vor allen Dingen wohl durch Tinnitus und den vollkommen durchen Sänger in Erinnerung bleiben wird. Wer sich mitten in der Nacht noch mal ins Spiegelzelt schleppen konnte, erlebte dort einen atemberaubenden Auftritt von Junip. Die Band um José González spielte sich und das Publikum regelrecht in Trance und traf so genau den Nerv, der nachts um 4 Uhr bei einem Festival eben getroffen werden will. Fantastisch.


Photos: Detroit Social Club, Fanfarlo, Rox (Photos von Marlena Julia Dorniak)

Ordentlich Stehvermögen war dann noch mal beim abschließenden Festival-Samstag gefragt. Zeitweise wusste man gar nicht mehr wohin, weil bei beiden Locations eine tolle Band nach der anderen spielte. Mit Young Rebel Set, Portugal.The Man, Fanfarlo und Frightened Rabbit legten auf der Hauptbühne jedenfalls gleich mal vier Bands ein gutes Konzert nach dem anderen hin. Getoppt wurden diese allesamt allerdings schon am frühen Abend mit den bezaubernden Efterklang und den famosen Bear In Heaven im Spiegelzelt. Letztere waren an Coolness kaum zu überbieten (der Bassist!) und falls die Bee Gees noch einmal Verstärkung brauchen: Jon Philpot würde sich bestens eignen. Sleepy Sun mussten danach die bittere Pille schlucken und undankbarerweise vor einem halbleeren Spiegelzelt spielen, da die meisten schon in Richtung Hauptbühne abgewandert waren. Dort sollten Yeasayer das Aufwärmprogramm für den „großen“ Headliner The National geben, doch die Jungs aus Brooklyn scheiterten so ein wenig an ihrer eigenen Überheblichkeit und erstickten ihre eigentlich recht tanzbaren Songs zu sehr in Electro-Spielereien. Nach 45minütiger Wartezeit war es dann endlich soweit: The National traten vor das gebannte Publikum und ein Hauch von Magie wehte durch die Luft. Leider machten in der Folge immer wieder Soundprobleme der Band das Leben schwer, so dass schließlich erst ab der zweiten Hälfte des Sets so richtig Atmosphäre aufkam. Wer den Gig mit dem denkwürdigen Auftritt von vor zwei Jahren verglich, wurde so leicht enttäuscht, obwohl The National natürlich auch dieses Jahr alles andere als schlecht waren. Nach diesem wahren Konzertmarathon warteten im Zelt noch einmal The Whale Watching Tour, um mit einem gleichermaßen beeindruckenden wie fordernden Auftritt den Zuschauern den letzten Rest zu geben.

Nach drei Tagen bis oben hin abgefüllt mit großartiger Musik heißt es nun wieder: Neuentdeckungen aufarbeiten und den Trennungsschmerz zu Festival und Campinggruppe überwinden. Das wird schwer genug, aber wir kommen nächstes Jahr wieder liebes Haldern. Ganz bestimmt.

Benjamin Köhler

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