Rezension

Blue Roses

Blue Roses


Highlights: Greatest Thoughts // Cover Your Tracks // I Am Leaving // I Wish I… // Coast
Genre: Singer-Songwriter // Folk
Sounds Like: Joni Mitchell // Kate Bush // Rachel Unthank & The Winterset // Dear Reader // Joanna Newsom

VÖ: 24.04.2009

Es ist schon eine seltsame Sache mit der Musik. Manchmal findet man einfach nicht den rechten Zugang, auch wenn sie technisch gesehen noch so beeindruckend sein mag und im Grunde alle Kriterien erfüllt, die dafür sorgen sollten, dass einen das Gehörte überzeugt. Andererseits gibt es aber auch diese Momente, in denen man nach nur wenigen Tönen weiß, dass es sich um etwas ganz Besonderes handelt, ohne dies konkret an etwas festmachen zu können. Blue Roses’ Debüt weckt in einem genau diese einzigartigen Glücksmomente, in denen man gar nicht fassen kann, wie wunderbar Musik doch sein kann.

Hinter Blue Roses steht die 21jährige Laura Groves aus Yorkshire, die unter ihrem Namen bisher nur die Single „I Am Leaving“ veröffentlichte. Während der Aufnahmen für ihr Debütalbum im Herbst letzten Jahres wurde ihr allerdings klar, dass es für diese Musik eines eigenen Namens bedarf. Blue Roses ist sowohl die Anlehnung an die Figur eines Tennessee-Williams-Stücks als auch ein auf vielfältige Weise zu deutendes Bild, das auf diese sehnsüchtige, oft niedergeschlagene, aber niemals ihre Kraft einbüßende Musik von Laura Groves treffend passt.

Mit einem tiefen Luftholen beginnt „Greatest Thoughts“, und dann setzt Laura Groves’ Gesang ein. Man fühlt sich an Joanna Newsom erinnert, doch ihr zu lauschen, ist alles andere als eine Herausforderung. Mit dieser Stimme braucht man sich nicht anzufreunden, man hört sie und ist ihr hoffnungslos verfallen. Souverän bewegt sie sich in den höchsten Tonlagen, ohne dabei erzwungen oder antrainiert zu wirken. Dazu singt sie mit sich selbst mehrstimmig im Chor, hebt den Song in luftige Höhen empor und eröffnet die Sicht auf die karge Landschaft Yorkshires. „Who really knows you at all if you cannot talk of your greatest thoughts?”, fragt sie, und lässt uns selbst an den Ihren teilhaben. Ohne zu eindeutig und direkt in ihren Aussagen zu werden, setzen sich ihre Texte mit sehr persönlichen Erfahrungen und Gedanken auseinander. Das Fundament des Songs bietet ein Flügel, der mit seinen melancholischen Klängen, welche mit einer würdevollen Selbstverständlichkeit erhaben durch den Raum schweben, an Antony & The Johnsons denken lässt. Wo jene aber mit orchestraler Untermalung dem Kitsch gefährlich nahekommen, bleibt Blue Roses leichtfüßig und überzeugt durch unkonventionelle Arrangements. Tasteninstrumente jeder Art wurden von Freunden ausgeliehen oder im Internet ersteigert, der mächtige Steinway Flügel konnte dank der Großzügigkeit des Besitzers in einem Musikgeschäft eingespielt werden und steht inzwischen in einem Hotel. Violine und Cello finden dezenten Einsatz und die Akustikgitarre treibt die Songs mit zielstrebigen Pickings voran.

„I Am Leaving“ ist als Relikt aus den alten Laura-Groves-Zeiten der euphorischste Song des Albums und strotzt nur so vor Lebensfreude. Verhallte Synthesizer geben dem simplen Songgerüst ein glitzerndes Gewand, und der elfenhafte Gesang lässt sich nur schwer fassen. „Cover Your Tracks“ entwickelt mit seinem Chor, der zusammen mit Freunden in einem Café eingesungen wurde, eine erstaunliche Eigendynamik. „Rebecca“ sticht durch den Einsatz von E-Gitarre und Drums heraus und entfernt sich von den für das Genre üblichen Konventionen und das sphärische „Doubtful Comforts“ dreht sich um eine hypnotisierende Spieluhrmelodie. „Can’t Sleep“ wirkt etwas hilflos und kann mit besonders eindrücklichen Versen aufwarten: „Tried to stop the sun from falling out of the sky with my bare hands out“. singt Groves niedergeschlagen und wiegt sich schließlich doch in den Schlaf.

Eine zentrale Stellung auf diesem Album nimmt das monumentale „I Wish I...“ ein, das sich nicht um konventionelle Songstrukturen schert und sich erst nach mehrfachem Hören erschließt. Eindrucksvoll zeugt es von dem breiten Spektrum Laura Groves’ stimmlicher Fertigkeiten und lässt einen überwältigt zurück. Eine an Debussy erinnernde Überleitung bereitet auf das nachfolgende „Coast“ vor, dessen Schönheit einen spätestens, wenn das Glockenspiel und die bezaubernde Begleitstimme einsetzen, komplett in seinen Bann zieht.

Mit dem wiederum vom Flügel dominierten „Imaginary Fights“ schließt sich letztlich der Kreis, und während der letzte Ton ausklingt, wird einem so langsam bewusst, was für ein fantastisches Album Blue Roses gelungen ist. Sie selbst hatte zum Ziel, ein Album zu schaffen, dem es gelingt, eine emotionale Bindung zum Hörer herzustellen, sei es durch einen Akkordwechsel oder eine bestimmte Verszeile - so wie es bei ihren eigenen Lieblingsalben der Fall ist. Und das ist ihr zweifelsohne gelungen. Jeder Song auf diesem Album bietet diese magischen Momente - diese liebenswerten Details, die Blue Roses’ Debütalbum zu einem einzigartigen Hörerlebnis machen.

Kilian Braungart

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