Interview

Monotekktoni


Tonia Reeh alias Monotekktoni spreche ich vor dem Eingang zum Glashaus an. Sie raucht gerade und spricht davon, dass sie gerne noch eine Runde spazieren gehen möchte. Ob sie danach Lust und Zeit auf ein Interview hätte, frage ich sie. "Ja klar, das können wir gerne machen." Immerhin wurde ihr Auftritt auf 00.30 Uhr verschoben, da bleibt eine Menge Zeit.

Nun muss also nur noch eine ruhige Ecke gefunden werden. Innen wummert lauter Elektro, da die ersten DJs im Rahmen des 24-Stunden-DJ-Kollektivs schon angefangen haben zu spielen. Im Büro sitzt ein Haufen Leute, im Lager zwischen den Getränke-Kisten könnte es ungemütlich werden... da bleibt nur noch die Küche, in der man die Technik der Eiswürfelmaschine bewundern und vor allen Dingen lärmgeschützt miteinander sprechen kann.

Als ich mir den Konzert-Flyer heute angesehen habe, ist mir das erste Mal bewusst geworden, dass dein Name ja im Bandnamen steckt. Hast du dir das so gedacht?

Tonia: Ja, natürlich. Mir ist der Name irgendwann einfach so eingefallen. Und nun heiße ich schon seit 8 oder 9 Jahren so. Zwischenzeitlich hieß ich mal "Dr. Reeh" (lacht), aber nur für ein halbes Jahr, dann bin ich wieder zu Monotekktoni zurückgegangen.

Wenn man sich deine neuen Songs anhört, fühlt es sich so an, als ob die deutschsprachigen aggressiver und direkter sind als die englischsprachigen. Natürlich kann das auch daran liegen, dass sie einfacher zu verstehen sind...

Tonia: Ja, das glaube ich auch. Außerdem ist meine englische Grammatik recht schlecht, und im Deutschen habe ich mehr Vokabular um mich auszudrücken.

Wo wir gerade bei Sprachen sind... in welcher Sprache singst du "Chinese Afterburner"?

Tonia: (lacht) Das ist eine Phantasie-Sprache, die ich mir ausgedacht habe. Darum klingt sie auch jedes Mal, wenn ich den Song singe, etwas anders. Ich wollte so klingen wie eine chinesische Untergrundkämpferin!

Und das ist dir auch recht gut gelungen! Ich musste an Yoko Ono denken, als ich den Song zum ersten Mal hörte. Beim Rezensieren deines neuen Albums habe ich mich entschieden, keine Wertung zu geben, denn ich fand es sehr schwierig z.B. "Häßlichent" zu bewerten, was ja nun wirklich kein `schöner´ Song ist. Ich bin mir aber sicher, dass du entzückende Pop-Liedchen am Klavier schreiben könntest, aber ich sehe deine Musik eher als Konfrontation, als Kunst, die sich auch traut zu provozieren!

Tonia´s Freund, der beim Interview dabei ist lacht aus dem Hintergrund und sagt dann: Ich fand Toni´s Musik immer schon schön, ich kann das vielleicht nicht objektiv sehen, aber auch die derben Stücke fand ich immer einfach nur schön! "Häßlichent" ist nicht ernst gemeint, man darf das alles nicht auf die Waagschale legen. Sie hatte halt Lust darauf! Wenn ein Rezensent schreibt: Ah, das ist wieder alles total abgedreht und komplex, was sie da wieder gemacht hat!, dann finde ich das sehr amüsant. Immerhin macht sie einfach das, worauf sie Lust hat.

Tonia: "Rezensionen finde ich irgendwie oft doof. Ich kann nicht verstehen, warum Leute etwas rezensieren und das total schlecht machen, das Ganze so zerreißen! Die sind wahrscheinlich nur frustriert, weil sie eigentlich lieber selbst ein Buch geschrieben hätten!

Oder selber gerne Musik machen würden!

Tonia: Ja, genau!

Ich finde deine Texte sehr gut, intelligent und konfrontierend, aber oft auch deprimierend. Singst du über Sachen, die dich selber betreffen?

Tonia: Ja, zum Beispiel in "I´m A Wheelchair". Das Lied ist wahr, nur etwas überspitzt. Ich singe aus der Sicht eines Rollstuhls. Der Rollstuhl hat verschiedene Aspekte. Zum einen ist natürlich der Besitzer abhängig von ihm, aber auch er selber ist behindert, er braucht jemanden, der ihn fortbewegt, der gleichzeitig ihn braucht, um sich fort zu bewegen. In "I´m A Wheelchair" ist er der Beobachter, denkt sich: Oh nein, was machen die denn da mit ihr?!

Welche Geschichte steckt hinter dem Lied?

Tonia: Das Ganze ist schon ein paar Jahre her. Ich war in Peru, in Lima, und wollte nach Europa zurückfliegen. Ich war seit 1 ½ Wochen magenkrank und hatte Fieber. Dann wurde ich auch noch vom Taxifahrer, der mich zum Flughafen brachte, total ausgenommen und hatte kein Geld mehr. Wirklich gar keins mehr, auch nicht auf meinem Konto. Und dann haben mir die Beamten auch noch die Papiere weg genommen.

Wie das denn?

Tonia: Sie haben mir meine Green-Card weg genommen und sie in den Müll geworfen. Und da stand ich dann und war total fertig und musste mich auf Spanisch durchschlagen, um da wieder rauszukommen. Ich weiß nicht mehr genau wie, aber zum Glück habe ich es irgendwie geschafft, den Flug gerade noch so zu kriegen.

Wirst du den Song heute Abend spielen?

Tonia: Nein, ich glaube nicht. Das ist kein Live-Song

Und ihr Freund ergänzt: Man kann ihn höchstens als letzten Song spielen, denn dann weiß man wirklich, dass Schluss ist.

Wie gesagt finde ich viele deiner Lieder traurig. Hast du schon mal einen richtigen gute Laune Song geschrieben?

Tonia: Warum, meine Songs sind doch gar nicht traurig!

Na gut, aber auch nicht fröhlich. Ich meine so einen lalala-Pop-Song!

Tonia: Ich schreibe natürlich auch fröhliche Songs, aber wenn ich dann ein gute-Laune-Lied mache, dann habe ich zumindest Lust auf einen fiesen Text! (lacht) Zum Beispiel in "Your Color..." ist der Gesang sehr poppig und hittig, aber der Text fies. Ich finde gute, nette Geschichten langweilig. Ich meine, z.B. mögen wir ja auch keine Bücher lesen, in denen nichts passiert und alles schön und nett ist. Ich könnte ja auch singen: Die Wolken sind rosa, so wie auch dein T-Shirt, Baby!, aber das will ich nicht.

Als wir heute im Auto her gefahren sind, hatten wir einen warmen Sonnenuntergang im Rücken und es war total schön und kitschig. Was hörst du in solchen Momenten am liebsten?

Tonia: Zum Beispiel "Collin", eine Frau die schöne Kling-Klang-Musik macht, oder Death Metal! (sagt sie zum Spaß und lacht darüber) Ich höre auch gerne Filmmusik, wie die von Philipp Glass, oder auch Arvo Pärth, das ist ein Mann mit Opa-Bart aus Estland.

Wann hast du selber angefangen Musik zu machen?

Tonia: Gesungen habe ich eigentlich schon immer. Mit dem Klavierspielen habe ich mit 7 Jahren angefangen.

Wow, das ist früh. Wenn du eigene Kinder hättest, würdest du ihnen dann auch Instrumente beibringen?

Tonia: Ja, wenn sie Lust darauf haben. Ich hatte auch immer Lust Klavier zu spielen, aber meine Lehrerinnen waren furchtbar. Die erste hatte schlimmen Mundgeruch und die zweite war sowieso schrecklich. Ich bin gar nicht gerne hingegangen, aber ich habe sehr gerne Klavier gespielt. Wenn ich zu Hause geübt habe, hat meine Mutter immer darauf geachtet, dass ich das spiele, was ich spielen sollte. Wenn ich eigene Sachen gespielt habe, die ich mochte, hat sie das nicht erlaubt.

Also hat sie deine Kreativität unterdrückt?

Tonia: Ja, total! Aber ich bin dann recht schnell von zu Hause weg. Mit 11 Jahren bin ich auf ein Musikinternat gekommen.

Eine Freundin, die beim Interview dabei ist wirft ein: Mein Papa war auch auf einem, aber er ist geflogen!

Tonia: Ja, ich habe immer versucht zu fliegen! (lacht) Aber das ist alles schon so lange her! Willst du nicht ein paar Sachen über das neue Album wissen?

Na klar, aber die Vergangenheit ist auch immer interessant! Wie kommen dir die Ideen für die Songs?

Tonia: Ich habe eigentlich andauernd Melodien im Kopf, die ich beim Gehen pfeife. Spazieren gehen und Bewegung im Allgemeinen sind gut für Ideen. Und dann sollte man sie direkt aufnehmen. Wenn ich gerade kein Aufnahmegerät dabei habe, dann wird es schwierig. Dann muss ich sie so lange vor mich hin pfeifen, bis ich irgendwo ankomme, wo ich eine Möglichkeit zum Aufnehmen habe. Wenn jemand dazwischen kommt, sage ich ihm: Du, ich kann gerade nicht! Und pfeife meine Melodie. Aber manchmal ist sie dann auch schon ganz verändert, wegen der vielen Einflüsse.

Wie ist das eigentlich alleine Musik zu machen? Ist das nicht oft schwierig?

Tonia: Das geht gut, denn das meiste machen ja eh die Maschinen! Aber ich habe eigentlich immer eine Band nebenher und habe nie nur alleine Musik gemacht. Mit der ersten Band haben wir drei Mal die Woche geprobt und hatten so schon nach 1 ½ Monaten genug Songs für den ersten Auftritt... Wir haben schrammeligen Gitarren-Rock gespielt!

Hast du einen Tipp für junge Bands, die anfangen gemeinsam Musik zu machen?

Tonia: Man sollte auf jeden Fall viel zusammen spielen, bis man sich gut damit fühlt!

Also los, junge, aufstrebende Künstler. Pfeift Melodien auf dem nach-Hause-Weg, trefft euch täglich mit Freunden zum Üben und macht Musik auf die ihr Lust habt! Dann werdet ihr vielleicht auch bald schon so sehr begeistern wie Monotekktoni bei ihrem anschließenden Konzert. Dafür hatte sie sich in ein schönes blaues und glitzerndes Kostüm gesteckt, ist vom Keyboard zum Klavier und von dort aus mit dem Megaphon und der Gitarre wieder zurück gewirbelt, und hatte dabei das glückliche Publikum fest in ihren Händen.

Das Interview fand ohne Aufnahmegeräte statt. Daher handelt es sich nicht um hundert prozentig korrekte Zitate. Ich bitte um euer Verständnis.

Marlena Julia Dorniak

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Rezension zu "Different Steps To Stumble" (2008)
Rezension zu "Love Your Neighbour? No Thanks!" (2007)

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