Konzertbericht
Ulver

Würde man zwei Kreise zeichnen, die Musikgenres darstellen und die Wörter Black Metal und TripHop enthalten, wo wäre die Schnittstelle? Kurze Antwort: Ulver. Die 1993 gegründete Band hat wohl wie kaum eine andere eine musikalische Wandlung durchgemacht – von den Black-Metal-Anfängen über Folkexperimente bis hin zu Soundtracks und TripHop-Meisterwerken wie "Perdition City" und "Blood Inside". Lediglich eine Konstante führte durch die Bandgeschichte: Man spielte nie live. Umso erstaunlicher wirkte Anfang 2009 die Nachricht, einige ausgewählte Konzerte geben zu wollen. Nun, im Februar 2010, folgte die erste größere Tour durch Europa, die das Live-Sextett auch in Berlin halt machen ließ.
Männlich, langhaarig, langer Bart, schwarz gekleidet. Wollte man einen so aussehenden Bekannten in der Menge der Zuschauer suchen, es hätte die Suche eines Strohhalmes im Heuhaufen bedeutet. Nimmt man nun noch übliche Klischees und Erfahrungen diverser Metalkonzerte hinzu: Es hätte ungemütlich werden können in den ersten Reihen. Aber wie so oft wurde wirklich alles anders als erwartet. Nachdem zum Einlass festgestellt werden konnte, dass die sonst übliche Bestuhlung der Volksbühne herausgenommen worden war, setzte sich die hereinströmende Masse erst einmal auf den abgestuften Boden. Wenig später betreten sechs unauffällige Herren die Bühne, die zunächst wie Techniker aussehen. Erstaunlicherweise spielen diese nur Sekunden später die ersten Takte von "Eos" und eröffnen damit die Show.
Die riesige Leinwand im Hintergrund lässt langsam eine Sonne aufsteigen und in einen Mond verwandeln, der dazugehörige Sound ist so klar, bombastisch und einbrechend, dass das Publikum starr vor Ehrfurcht und mit offenen Mündern auf dem Boden verharrt – was sich auch im Laufe des Konzertes nicht ändert. Spätestens im zweiten Stück "Let The Children Go" ist die Musik überwältigend genug, am ganzen Körper Haare zu Berge stehen zu lassen und eine Gänsehaut hervorzurufen. Gespielt werden vor allem Songs der drei elektronischen Alben der Band wie "Hallways Of Always", "Let The Children Go" oder "In The Red", dennoch ist zu jeder Zeit die Metalherkunft der Band deutlich anzumerken. Der Bass grollt vor allem anfangs in tiefste Magengegenden hinein, immer wieder bringen Ausflüge der Musiker zum Metal, wie beispielsweise in "Rock Massif" oder "Operator", das Publikum sitzend zum Mitgehen und Kopfnicken. Recht selten ist dabei Sänger Garm zu vernehmen, eingangs geht seine Stimme im allgemeinen Lärm unter, später betätigt er sich anderweitig, unter anderem durch mehrmaliges Schlagen des mitgebrachten Gongs. Auf Momente des Bombasts folgt ruhige, klaviergetragene Stille, wie in "Funebre" oder dem abschließenden "Not Saved", dessen Atmosphäre durch minutenlanges "Streicheln" des Gongs noch verstärkt wird.
Die Musiker selbst bekommt der Zuschauer kaum zu sehen, sie verstecken sich hinter auf der Bühne platzierten Lichtsäulen. Stattdessen lässt man die eindrucksvolle, nicht jugendfreie Präsentation auf der Leinwand zur Musik wirken: Kirche, Gewalt, Sex, Selbstmord, jagende Löwen, düstere Wolken – lediglich das Thema Nationalsozialismus klammert die Band sensiblerweise aus – "considering and concerning the place we stand" ist statt der sonst verwendeten Bilder zu lesen. Nach gefühlter Endlosigkeit ist nach bereits etwas mehr als einer Stunde Schluss, die Band verkündet, es gäbe "natürlich keine Zugabe". Diese war auch nicht nötig, was gesagt, getan und gespielt werden musste, um diesen Abend unvergesslich zu machen, wurde von den Norwegern dargeboten.