Konzertbericht

The XX


Hey Du. Wir müssen reden. Ich fang mal dort an, wo es auch anfängt, bevor dieser Abend beginnt: Mit der Idee eines Konzertveranstalters, im „neuen“ Astra-Kulturhaus diese neue Band aus England spielen zu lassen. Vorab schon einmal: Glückwunsch zu dieser Location. Ist wirklich gelungen. Macht von außen vielleicht nicht so viel her, aber innen ist es schön geworden. Der Sound ist auch wirklich gut. Was in mir so ein klein wenig Unbehagen auslöst, sind lediglich vier Buchstaben. Einer davon ist ein Y. Die anderen drei sind – alphabetisch – E, H und P. Dieses kurze Wort, das sich daraus bilden lässt, sorgt nämlich für nicht ganz so verständliche Umstände. Es sorgt dafür, dass eine Band, bestehend aus drei (ehemals vier) Menschen, die vor gar nicht allzu langer Zeit noch nicht einmal volljährig waren, zwei Mal an einem Abend über tausend Menschen zu einem Preis jenseits der zwanzig Euro in einen Raum führt. Und das, obwohl absehbar ist, dass diese Band – da sie erst ein (relativ kurzes) Album veröffentlicht hat – nicht sehr lange spielen wird. Nun gut, Angebot und Nachfrage. Ein kurzes Wort zum Wetter: Der Grund, warum im Januar so wenig Konzerte sind, ist mir jetzt auch wieder klar. Minus zehn Grad. Vielleicht Absicht, um die erwartet kühle Stimmung der Musik besser herüber zu bringen? Wohl eher nicht.

Kommen wir also zu dir, Konzertbesucher. Es mag zwar hart klingen, aber irgendeiner muss es ja mal sagen: Mit dir auf dem Konzert war das leider nicht so sehr angenehm. Aber ich habe eine Idee, wie man das ändern kann. Der größere, unangenehme Teil von dir (ca. 50%) spart sich einfach nächstes Mal den besagten Konzertpreis und kauft sich statt einer Packung Zigaretten, die während des Konzertes in den Äther entlassen werden, einfach vier und hat einen viel längeren entspannten Abend anderswo. Na? Super Idee, oder? Bleibt noch ein weiterer, unangenehmer, aber kleinerer Teil des Publikums. Auch für euch habe ich einen super Tipp. Wenn ihr das nächste Mal in Berlin jemanden treffen wollt, den ihr schon sehr lange nicht mehr gesehen habt und dementsprechend viel zu erzählen habt – schreibt mir eine Email! Durch jahrelange Erfahrung habe ich mittlerweile eine erhebliche Liste an guten Restaurants, Bars, Lounges etc. erstellen können, wo es zu super Preisen tolle Atmosphäre gibt. Da ist dann auch die nervige Musik im Hintergrund nicht so laut. Auf Wunsch frage ich auch Bekannte nach einer dieser Rauchereckkneipen. Diejenigen, die jetzt nicht in besagte zwei Gruppen fallen, lade ich herzlich ein, auch viele weitere Konzerte mit mir zusammen in der Hauptstadt zu besuchen.

Was soll man da noch groß zu dir sagen, Band. Ihr habt halt ein bisschen Pech – oder Glück, je nachdem, wie man es nimmt. Kaum ein Album rausgebracht, schon berühmt. Pech nur, weil dadurch die Songauswahl eurer Shows irgendwie absehbar ist. Daher erfolgt kein Vorwurf, dieses einfach mal komplett (in leicht veränderter Reihenfolge) zu spielen. Lediglich das eine oder andere Cover (gut, eines war ja dabei) wäre vielleicht noch wünschenswert gewesen. Dass ihr das könnt, kann man ja bei diversen Quellen hören. Müsste ich den Auftritt bewerten, was ich hiermit auch tue, würde ich sagen: Solide. Mit Platz nach oben, aber auch nach unten. Und ihr seid ja noch jung. Eure Lichtshow war auch schon ganz gut gemacht. Bisschen kühl kam das alles rüber, aber es passte so zur Musik. Etwas ungelenk gestelzt wirkte der Auftritt eures bassspielenden Sängers. Wirkte wie diese durch Luftzufuhr in der Höhe gehaltenen Figuren, die bei jedem Windzug die Richtung ändern. Ein wenig vermisst habe ich ein Schlagzeug. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich etwas altmodisch bin und diesen ganzen neuen Touchpad-Schlagzeug-Technikkram nicht so sehr mag. Was ich allerdings gut fand, war eure Aktion, denen, die beim ersten Kartenkauf leer ausgegangen waren, mit einer zweiten Show am gleichen Abend noch eine Chance zu geben, euch zu sehen.

Jetzt hätte ich fast noch ein Post Skriptum einfügen müssen, also etwas, was zwischen den Abschnitten verloren gegangen ist. Aber kurz vor dem Rat an die Leser dann doch noch: Die Vorband! Bei der späteren Show waren dies New Look. Gut, um diese Band allumfassend zu beurteilen, müsste man sich auch noch als Modekritiker verdingen. Da dies aber zu viel der Kritik wäre, belasse ich es bei der Musik. Dazu nur eine Bitte: Bitte, macht irgendetwas anderes. Die Idee, das die männliche Hälfte von euch mit diversen elektronischen Geräten versuchte, Synthiepop mit alten Technobeats der Loveparade aus den frühen 90ern in halber Geschwindigkeit zu mixen, ist schon nicht gut. Wenn dann noch von weiblicher Seite aus mit Thomas-Anders-Gedächtnis-Umhängekeyboard und einer Stimme zwischen Florence (And The Machine), Björk und Tori Amos triefende Liebeslyrik dazukommt, geht das schief. Werdet doch lieber Bauzeichner oder Marketingassistentin.

Was nun? Lohnt sich ein Konzertbesuch bei The XX? Grundsätzlich: Ja, man kann zu einem Konzert der Band The XX gehen, wenn man das 2009 erschienene Album mag. Insbesondere, wenn man auch kein Problem damit hat, die Stimmung der Platte in der Liveumsetzung genauso präsentiert zu bekommen. Man sollte das Album aber kennen. Ansonsten wirkt das, was das Trio fabriziert, vielleicht etwas zu statisch, entgrenzt, reduziert. Wenn ich noch einen persönlichen Tipp loswerden kann: habe Geduld, potentieller Besucher! Warte, bis die Setlist aus zwanzig oder gar noch mehr Stücken bestehen kann. Dann setzt die Kopfrechnung um das Preis-Leistungs-Verhältnis von Karte zu gespielten Minuten nämlich auch aus.

Klaus Porst