Konzertbericht

The Rakes


"Wie geil ist das denn, bitte?!" war die nicht unbedingt elegant formulierte Reaktion einer Freundin auf meine Aussage, ich würde die Rakes live sehen. In Strassburg, nein, pardon, in Strasbourg. Eine Band also, deren Übersong des Debütalbums genau diesen Titel trägt. Für einen Moment beschäftigten wir uns damit, uns die Band- und die Publikumsreaktionen vorzustellen und kamen zu dem einschlägigen Ergebnis, dass dies im totalen Ausflippen beider Seiten enden würde.

Vier Wochen später in Strasbourg: Am Eingang der Laiterie angekommen weißt uns ein Schild freundlich (und auf Französisch) darauf hin, dass das Konzert nicht im großen Club stattfindet, sondern in einem anderen Bereich des Gebäudes. Was wir vorfinden ist ein wirklich winziger Raum in den vielleicht 150 Leute passen, eine traumhafte Aussicht im Vergleich zu der Vorstellung, die Rakes in riesigen Hallen als Franz Ferdinand-Support sehen zu müssen.
Ein an gut sichtbarer Stelle platzierter Zettel gibt die genauen Anfangszeiten der Auftritte von Vorgruppe und Hauptact an. Die werden sich doch nicht wirklich daran halten? Doch, sie werden. Dabei wird doch ausgerechnet den Deutschen immer Pünktlichkeit vorgeworfen.

Um exakt 20.30 betreten also Cristine No 1 die Bühne, eine französische Band mit englischen Texten, zum Glück. Der Auftritt lässt sich wohl am besten als "ambitioniert" bezeichnen, viel mehr ist es leider nicht, obwohl durchaus Ansätze vorhanden sind. Cristine No 1 spielen wenig eingängigen Rock, von dem am Ende auch dementsprechend wenig hängen bleibt, trotz eines sehr bemühten, guten Sängers. Böse Menschen würden der Band gar jegliches Charisma absprechen.
Der Auftritt endet, wie bereits vorher angekündigt, pünktlich um neun.

Während der halbstündigen Pause lässt sich gut feststellen, dass sich doch einige Deutsche unters Publikum gemischt haben, offensichtlich ist die Band bei uns bekannter als in Frankreich. Der Umbau geht flott von statten, doch die Rakes lassen uns warten. Ganze fünf Minuten länger als angekündigt... Angesichts der Größe des Clubs ist die Bühnendeko erstaunlich schick und aufwendig, mit Videoprojektion und netten Lichteffekten. In meiner Vorstellung waren die Rakes immer gemütliche, mittelalte Männer gewesen, aber offensichtlich produziert England durchgeknallte Frontmänner am Fließband. Terror (mit Ausrufezeichen) ist als Einstiegssong perfekt gewählt und zündet sofort, während Frontmann Alan Donohoe vor allem durch herausragende Mimik und einen kuriosen Tanzstil zu beeindrucken weiß. Er hüpft herum, schwenkt die Arme wild durch die Luft und reißt die Augen soweit auf, dass man fast fürchtet, sie könnten herauspurzeln. Außerdem kommentiert er durch viel sagende Handbewegungen ausgesprochen amüsant die Songtexte. Auch die anderen Bandmitglieder zeigen ausgesprochene Livequalitäten. Gitarrist Matthew Swinnerton ist außerdem ein mehr als passabler Sänger, der die Songs durch seine Unterstützung bereichert. Drummer Lasse Petersen ist ein 1A Alex Kapranos Verschnitt, Jamie Hornsmith's Bass ein Monster.
Was den Rakes vielleicht auf Platte an Originalität fehlt, machen sie live durch Bühnenpräsenz und Energie alle mal wett. Jedes einzelne Lied des Debütalbums zündet, es scheint eher so, dass die Songs, die auf Platte herausstechen live eher untergehen. "Retreat", sowohl beim Konzert als auch auf CD Song Nummer 2, eigentlich eine der Perlen überhaupt, haut einen weniger von den Socken, als man es vorher erwartet hätte. Mit "Work, Work, Work" sieht es ähnlich aus.

Die Franzosen sind ein Mitklatschvolk: Entweder hat Donohoe eine besonders schnelle Auffassungsgabe oder die Band ist vorher darüber in Kenntnis gesetzt worden. Auf jeden Fall ist der ganze Auftritt von Klatschspielchen durchsetzt. Der Sänger wirkt dabei eher ironisch, das Publikum begeistert.
Und wie gut sich das "Ohoh Ohoh" in "Open Book" zum Mitsingen eignet merke ich dann, als ich zwei Tage später immer noch einen Ohrwurm davon habe. "22 Grand Job" ist wie erwartet einer der Höhepunkte, aber wie kurz der Song ist, wird einem beim Auftritt zum ersten Mal schmerzlich bewusst. Kaum erst in Fahrt gekommen, ist auch alles schon wieder vorbei.
Neben den Songs von "Capture/Release" spielen die Rakes auch drei neue Songs, darunter das wunderbare "Auslandmission". Mit dem Deutsch haben sie es einfach.

Nach knapp einer Stunde verabschiedet sich die Band vom Publikum, allerdings mit der Ankündigung, noch einmal wieder zu kommen. Zugaberufe gibt es hier keine, dafür aber natürlich wieder Geklatsche.
Sie lassen sich viel Zeit zum Wiederkommen, fast unhöflich viel. Donohoe ist bei der Rückkehr auf der Bühne so nass, dass wir uns fragen ob er die Pause zum Duschen genutzt hat.
Endlich, endlich ist der Moment gekommen, auf den wohl alle gewartet haben. Als allerletzte Zugabe spielen die Rakes Strasbourg. Donohoe klärt noch schnell darüber auf, dass die Band natürlich wüsste, dass die Stadt nicht in Deutschland liegt, bevor der Club sich in ein Pogomeer verwandelt. War das Publikum bisher noch eher zurückhaltend tanzend und klatschend engagiert, ist es jetzt damit vorbei. Singend, hüpfend, tobend freut sich die Menge darüber, wie groß dieser Song doch ist und als wir schließlich verschwitzt den Raum verlassen frage ich mich: "Wie geil war das denn, bitte?!"

Lisa Krichel