Konzertbericht

The Prodigy


Würde man eine Umfrage unter Berliner Konzertgängern erstellen, welches wohl die unbeliebteste Location der Stadt ist, die Arena Treptow würde den ersten Platz belegen. Die ehemalige Lagerhalle hat eigentlich immer einen grauenvoll matschigen Sound, noch dazu mehrere Reihen lästiger Querbalken, die einem die Sicht auf die Bühne versperren. Eigentlich stand der Entschluss, nach mittelmäßigen Tool- und Nine-Inch-Nails-Auftritten dort nicht mehr hinzugehen. Nun aber das: The Prodigy gastieren ausgerechnet an diesem Ort.

Als Special Guest dürfen Enter Shikari mit dabei sein - ihre Aufgabe als Einheizer erfüllen sie aber nur mäßig. Die Mischung aus Ballermanntechno und Screamo sorgt eher für Fragezeichen über den Köpfen als für Feierlaune. Dabei hätten sie stilistisch gar nicht mal so falsch gelegen, denn im Publikum findet sich wirklich jede musikalische Gruppe wieder - lässt man den Musikantenstadl mal außen vor. Zu sogenannten Muckibudenschränken gesellen sich Nietenbekleidung tragende Gothics, Raver, normale Rockfans, HipHopper und Mitglieder jeder Jugendkultur, die sonst so in den letzten zwanzig Jahren aufgekommen sind. Besser als Enter Shikari agiert in der knapp eine Stunde andauernden Umbaupause der eingesetzte DJ. Konzertstimmung kommt auf, erste Regungen durchziehen die ca. 4000 Besucher.

Und alle so: Yeah! Selten gab es eine passendere Beschreibung für das, was mit "World's On Fire" einsetzt. Vom ersten Dröhnen, vom ersten Takt an, bis zum abschließenden "Their Law" ist das Publikum eine einzige tanzende, springende Masse, in der jeder Beteiligte sein Äußerstes zu geben scheint und es trotz allem friedlich bleibt. Bereits als zweiter Song folgt "Breathe" in einer verlängerten Version mit Dubstepoutro. Auch nach fast zwanzig Jahren Bandgeschichte wissen Liam Howlett, Keith Flint und Maxim immer noch, wie man innerhalb von Sekunden den Puls tausender Leute von sechzig auf einhundertachtzig bringt.

Neunzig Minuten dauert ein Fußballspiel, bei dem man vielleicht ein bisschen rennt, mal geht, etwas schießt und sich zwischendrin ausruhen kann. Neunzig Minuten spielen The Prodigy an diesem Abend und lassen keine Chance zum Ausruhen. Das Set besteht genau aus den Songs, die man bei einem Konzert der Band hören will: "Poison", "Smack My Bitch Up", "Voodoo People", "Firestarter", "No Good", "Out Of Space", "Diesel Power" und dazu noch fast das komplette "Invaders Must Die"-Album, das sich nahtlos in frühere Großtaten einfügt. Wohl dem, der sich ein Ersatz-T-Shirt mitgebracht hat. Später, wieder in der Wohnung, einigermaßen heruntergekommen von diesem Konzert, gibt es bei Youtube zu entdecken, dass die Band wohl wirklich eine recht aufwendige Lichtshow dabei hatte. Die muss sich wohl hinter den Querbalken befunden haben.

Klaus Porst